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In den Armen des Sizilianers

In den Armen des Sizilianers

Titel: In den Armen des Sizilianers
Autoren: Sharon Kendrick
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Burg.“
    Irgendwie erklärte diese Bemerkung auch die Denkweise der Menschen, die hier lebten, eine Denkweise, die nicht leicht zu verstehen war und auf Außenstehende seltsam komplex wirkte. Emma war davon fasziniert gewesen und hatte mehr erfahren wollen. Sie hatte gehofft, wenn sie die Leute verstand, würde sie eines Tages auch ihren schwierigen Mann verstehen. Vincenzo erstickte jedoch alle ihre Versuche, hinter seine Fassade zu schauen, schon im Keim. Klar geworden war ihr nur, dass er eine undurchdringliche Mauer um sich errichtet hatte.
    Als er den Fuß vom Gas nahm und über die Einfahrt auf den riesigen Vorhof des Weinguts fuhr, rief sie beim Anblick der unzähligen Autos, die bereits dort geparkt waren, aus: „Meine Güte! Die ganze Familie hat sich hier ja versammelt!“
    „So ist es“, stimmte Vincenzo ihr leicht belustigt zu. „Alle wollen Gino kennenlernen.“
    Emma gestand sich ein, dass der Junge hier ein wesentlich besseres Leben haben würde als in England. Niemals würde sie ihm so viel bieten können wie sein Vater. Es ging nicht nur um Geld und Reichtum, sondern auch um eine Familie. Hier hatte er Menschen um sich, die für ihn sorgten und ihn von ganzem Herzen liebten, weil er zu ihnen gehörte. Falls ihr einmal etwas zustoßen sollte, wäre Gino auf jeden Fall gut versorgt.
    „Warum haben wir eigentlich als frisch Verheiratete nicht hier auf Sizilien gelebt?“, fragte sie unvermittelt.
    Seine Miene verfinsterte sich. „Weil ich das Unternehmen von Rom aus führen musste.“
    „Aber …“
    „Ja, ich weiß, was du sagen willst. Es stimmt, ich hätte es auch von hier aus leiten können.“ Nachdem er den Wagen abgestellt hatte, legte er die Hände auf das Lenkrad.
    Über seine Gefühle zu sprechen war ihm schon immer schwergefallen. Er hatte ohne Mutter aufwachsen müssen und niemanden gehabt, mit dem er über seine Ängste hatte reden können. Seine Großmutter hatte ihn sehr geliebt. Sie war jedoch der Überzeugung gewesen, dass Männer stark sein müssten und keine Gefühle zeigen dürften.
    Auch jetzt fand er es schwierig, die richtigen Worte zu finden. „Ich habe wahrscheinlich befürchtet, die Insel sei dir zu ländlich und klein“, begann er langsam. „Ich dachte, in Rom würde es dir besser gefallen und du würdest in der Großstadt besser zurechtkommen als hier.“
    Rom war ihr jedoch viel zu groß und laut gewesen. Die Römer und Römerinnen hatten auf sie kultiviert, weltgewandt und irgendwie abgehoben gewirkt, was sie so sehr verwirrt hatte, dass sie sich von allem zurückgezogen hatte. Die Folge davon war gewesen, dass sie sich einsam und isoliert gefühlt hatte, und schließlich hatte sie sich innerlich immer weiter von ihrem Mann entfernt.
    „Ich verstehe. Doch das ist eigentlich nicht mehr wichtig, oder? Wir müssen uns auf die Gegenwart konzentrieren. Damit haben wir genug zu tun.“
    Sekundenlang herrschte Schweigen.
    „Lass uns ins Haus gehen.“ In seiner Stimme schwang so etwas wie Bedauern. Er stieg aus, hob Gino aus dem Kindersitz und reichte ihn Emma.
    Sie blickte Vincenzo an. „Ich habe Angst“, flüsterte sie und war nahe daran, die Fassung zu verlieren.
    Er beobachtete sie, während sie den Jungen an sich drückte und vor lauter Nervosität den Atem anhielt. In dem Moment hätte er sie am liebsten umarmt und ihr Mut zugesprochen.
    Stattdessen entgegnete er jedoch nur: „Das brauchst du nicht zu haben. Sie gehören alle zur Familie.“
    Ja, zu seiner und Ginos, aber nicht zu meiner, dachte sie verzweifelt.
    Als sie wenig später die riesige Eingangshalle betraten, empfing sie ein Stimmengewirr, und mehrere kleine Mädchen in weißen Kleidern liefen auf sie zu, gefolgt von unzähligen kleinen Jungen mit dunklen Augen und seltsam feierlichem Blick.
    „Meine Güte“, sagte Emma leise vor sich hin, während sich Gino an ihren Nacken klammerte und vor Freude über die Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde, in den höchsten Tönen quietschte.
    Nachdem sie und Vincenzo die Umstehenden begrüßt hatten, folgte sie ihm in den Salon. Sie war sich der kritischen und misstrauischen Blicke sehr bewusst, mit denen einige der Frauen sie musterten, und hatte sogar Verständnis dafür. Im umgekehrten Fall hätte sie genauso reagiert. Die Leute wussten ja nicht, weshalb ihre Ehe gescheitert war, denn darüber sprach Vincenzo nicht.
    Natürlich wäre es leicht für ihn gewesen, ihr die Schuld zu geben und sich über ihren Charakter und ihre Moralvorstellungen zu
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