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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation
Autoren: Arthur C. Clarke
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Vorspiel
     
    Der Vulkan, der Taratua aus den Tiefen des Pazifiks emporgeschleudert hatte, schlief seit einer halben Million Jahren. Aber bald, dachte Reinhold, würde die Insel von Feuersgluten eingehüllt sein, die wilder waren als jene, die ihre Geburt begleitet hatten. Er sah zum Flugplatz hinüber, und sein Blick glitt an dem Gerüst in die Höhe, das noch immer die Columbus umgab. Siebzig Meter über dem Erdboden fing der Bug des Schiffes die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf. Dies war eine der letzten Nächte, die es erleben sollte. Bald würde es im ewigen Sonnenschein des Weltraums schweben.
    Es war still hier unter den Palmen, hoch oben auf dem felsigen Grat der Insel. Als einziges Geräusch drang vom Werkgelände zeitweise das Heulen eines Luftkompressors oder das ferne Rufen eines Arbeiters herüber. Reinhold hatte die Palmengruppe liebgewonnen; fast jeden Abend kam er hierher, um sein kleines Reich zu überschauen, und der Gedanke, daß die schönen Bäume in Atome zerrissen würden, wenn die Columbus sich flammend und tosend zu den Sternen erhob, machte ihn traurig.
    Anderthalb Kilometer unterhalb des Riffs hatte die James Forrestal ihre Scheinwerfer angestellt und ließ sie über das dunkle Wasser gleiten. Die Sonne war jetzt völlig verschwunden, und die Tropennacht brach schnell von Osten herein. Reinhold fragte sich etwas spöttisch, ob man so nahe der Küste russische Unterseeboote zu finden erwarte.
    Das Stichwort Rußland lenkte – wie immer – seine Gedanken auf Konrad und auf jenen Frühlingsmorgen des Jahres 1945, das so verheerende Umwälzungen gebracht hatte. Mehr als dreißig Jahre waren seither vergangen, aber die Erinnerung an jene letzten Tage, als das Reich unter den von Ost und West heranstürmenden Wogen zerfiel, war nie verblaßt. Er sah noch immer Konrads ermüdete blaue Augen vor sich und die goldenen Bartstoppeln auf seinem Kinn, als sie sich in jenem zerstörten preußischen Dorf zum Abschied die Hände schüttelten, während die Flüchtlinge in endlosem Strom vorbeizogen. Es war eine Trennung, die alles symbolisierte, was danach in der Welt geschehen war – ein Symbol der Spaltung zwischen Ost und West. Konrad wählte den Weg nach Moskau. Reinhold hatte ihn damals für einen Narren gehalten, aber jetzt war er dessen nicht mehr so sicher.
    Dreißig Jahre hatte er angenommen, Konrad sei tot. Erst vor einer Woche hatte ihm Oberst Sandmeyer vom Amt für Technik die Neuigkeit erzählt. Reinhold mochte Sandmeyer nicht und war überzeugt, daß die Abneigung gegenseitig war. Aber das berührte ihr Arbeitsverhältnis in keiner Weise.
    „Herr Hoffmann“, hatte der Oberst in seinem tadellosen offiziellen Ton begonnen, „es sind soeben beunruhigende Nachrichten aus Washington gekommen. Natürlich streng geheim, aber wir haben beschlossen, den Ingenieurstab einzuweihen, damit alle wissen, daß Eile geboten ist.“ Er hielt inne, um seine Worte nachhaltiger wirken zu lassen, aber dieses Manöver war an Reinhold verschwendet. Er ahnte schon, was kommen würde.
    „Die Russen sind fast ebensoweit wie wir. Sie haben irgendeinen Atomantrieb gefunden, der vielleicht noch wirksamer ist als der unsere, und sie bauen am Baikalsee ein Raumschiff. Wir wissen nicht, wie weit sie sind, aber unser Geheimdienst nimmt an, daß es noch in diesem Jahr fertig wird. Sie wissen, was das bedeutet.“
    Ja, dachte Reinhold, das weiß ich. Der Wettlauf ist im Gange, und wir werden ihn vielleicht nicht gewinnen. „Wissen Sie, wer dort die Arbeiten leitet?“ hatte er gefragt und eigentlich kaum eine Antwort erwartet. Zu seiner Überraschung hatte Oberst Sandmeyer ihm ein mit der Maschine beschriebenes Blatt zugeschoben, an dessen Kopf der Name Konrad Schneider stand.
    „Sie haben eine Reihe von den Männern in Peenemünde gekannt, nicht wahr?“ fragte der Oberst. „Das kann uns einen Einblick in ihre Methoden verschaffen. Ich möchte Sie bitten, mir Angaben über möglichst viele von ihnen zu machen, über ihre Arbeitsgebiete, ihre Ideen und ähnliches. Ich weiß, das ist viel verlangt nach so langer Zeit, aber versuchen Sie, was Sie tun können!“
    „Konrad Schneider ist der einzige, der etwas bedeutet“, hatte Reinhold erwidert. „Er war hervorragend. Die anderen waren nur tüchtige Ingenieure. Aber der Himmel mag wissen, was der Mann in diesen dreißig Jahren getan hat. Bedenken Sie: Er kennt wahrscheinlich alle unsere Arbeitsergebnisse, wir aber kein einziges von den seinen. Das
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