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In Den Armen Des Schicksals

In Den Armen Des Schicksals

Titel: In Den Armen Des Schicksals
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Grab.
    Er war in Loch Ceo gesprungen, um einen Jungen zu retten, und hatte eine ausgewachsene Frau ans Ufer zurückgebracht. Noch dazu eine Druidheachd MacFarlane. Ihr Haar war kurz, doch nun, da es fast trocken war, umschmeichelten feminine Strähnen weich Gesicht und Hals. Ihre Augen hatten das gleiche Schokoladenbraun wie ihr Haar, waren riesengroß und umrahmt von dichten dunklen Wimpern, und ihr großzügiger, aufreizender Mund, begrenzt von tiefen Grübchen, schickte konstant die Botschaft von Humor und Witz aus.
    Dabei war sie nicht im eigentlichen Sinne schön, nicht nach den Standards, die die Frauen gesetzt hatten, die durch seine Nächte gezogen waren. Doch obwohl sie dem Tod nur knapp entkommen war, war sie so voller Leben, dass jedes ihrer Worte und jede ihrer Bewegungen vor Energie nur so strotzten.
    Sie war so vital – und er so völlig bleiern.
    Er erhob sich aus dem Stuhl, auch wenn seine Beine ihn noch nicht richtig tragen wollten, und ging zum Fenster. Von hier aus konnte er den Erlenhain sehen. Die Bäume standen seit Ewigkeiten da, lange vor dem Haus, vielleicht schon so lange wie Ceo Castle. Wenn ein alter Baum starb, wuchs ein neuer nach und nahm seinen Platz ein. Die Ross’ hatten den Hain immer gehegt. Als Kind war Iain gelehrt worden, dass der Schutz der Bäume seiner Verantwortung oblag, zusammen mit Tausenden von anderen Pflichten, die sich aus der Position als Lord über Druidheachd ergaben. An der Seite seines Vaters war er über den Familienbesitz gewandert und hatte gelernt, was von ihm erwartet wurde. Die Brust des Jungen war dann immer vor Stolz angeschwollen bei dem Gedanken, dass all diese Ländereien eines Tages ihm gehören sollten.
    Heute würde er alles bereitwillig aufgeben, jedes Feld, jeden Stein, jeden Baum. Wenn er dafür die Dinge bekommen könnte, die er nie gehabt hatte.
    Er wusste nicht, wie lange er auf den Erlenhain gestarrt hatte. Er war so in seine Gedanken versunken gewesen, dass er die Schritte nicht gehört hatte.
    „Ich konnte nicht schlafen.“
    Er drehte sich um und sah Billie hinter sich stehen. Sie trug sein Rugbyshirt aus Universitätszeiten und eine Trainingshose, bei der die Beine so weit aufgerollt waren, dass sie sich wie pralle Würste um ihre Knöchel legten. „Von Anordnungen halten Sie nicht viel, oder?“, fragte er.
    „Extrem wenig. Es tut mir leid.“ Sie lächelte nicht. „Aber … dieses Alleinsein ist nicht gut, nach allem, was passiert ist.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Sie verstehen schon.“
    „Muss ich das?“
    „Es ist albern, aber wenn ich die Augen schließe, habe ich das Gefühl, als würde das Wasser über mir zusammenschlagen.“
    Mitgefühl drängte sich in seine eigenen düsteren Gedanken. Sie wirkte, als müsse sie in den Arm genommen und gehalten werden, doch er war nicht der Mann dafür. „Ich habe Tee gekocht. Setzen Sie sich, ich schenke Ihnen eine Tasse ein.“
    „Danke, das ist nett.“ Sie ließ sich auf dem nächstbesten Stuhl nieder und wirkte äußerst erleichtert, wieder zu sitzen. „Das ist wirklich ein beachtliches Haus, Iain.“ Sie zögerte. „Ich darf Sie doch Iain nennen, oder? Ich weiß, ich bin schrecklich salopp.“
    Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie schrecklich in irgendetwas war. In seinen Sachen, in die sie zweimal hineingepasst hätte, sah sie geradezu anbetungswürdig aus. Er verspürte den albernen Impuls, ihr die seidigen Strähnen am Hals zurückzustreichen und den Kragen des Shirts ein wenig zu richten.
    Er brauchte keine Erinnerung daran, warum er sein Lebtag auf meilenweiten Abstand zu anbetungswürdigen süßen Frauen geachtet hatte. „Sie können mich nennen, wie Sie wollen“, antwortete er.
    Unter Wimpern, die lang waren wie eine schlaflose Nacht, sah sie zu ihm auf. „Sollte ich Sie besser kennenlernen, werde ich das wahrscheinlich auch.“ Die Grübchen an ihrem Mund zeigten sich. „Und ich bin Billie.“
    Er wandte sich ab, viel zu bezaubert für einen Mann, der sich rühmte, emotional grundsätzlich auf Distanz zu bleiben. „Gut.“
    Er stellte Tassen auf den Tisch und goss Tee ein, der erstaunlicherweise nicht dampfte. Mit gerunzelter Stirn befühlte er die Kanne. Sie war kalt.
    Wie lange hatte er am Fenster gestanden und auf den Erlenhain gestarrt?
    Einen Moment lang wusste er nicht, was er sagen sollte. Dann übernahmen die erstklassigen Manieren, die ihm während einer endlos scheinenden Kindheit eingedrillt worden waren. „Entschuldigen
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