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In Den Armen Des Schicksals

In Den Armen Des Schicksals

Titel: In Den Armen Des Schicksals
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dass es wie eine Liebkosung war. „Sie sind sicherlich nicht die Einzige, die so denkt.“
    „Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, das ist nur ein Prolog. Die wirkliche Geschichte muss viel komplexer und interessanter sein.“
    „Darauf würde ich nicht wetten.“ Der Kessel begann zu pfeifen, und dankbar für die Ablenkung, goss er sprudelndes Wasser in die Teekanne. Dann lehnte er sich an die Anrichte. „Was tun Sie in Schottland, Miss … Billie?“
    „Ich schreibe an meiner Dissertation.“
    Er hob fragend eine Augenbraue.
    „Ja, ob Sie’s glauben oder nicht, dieses chaotische Frauenzimmer, das an Ihrem Küchentisch sitzt und indiskrete Fragen stellt, der Schwachkopf, der aus Spaß an der Freud in Eiswasser springt, macht seinen Doktor.“
    „In was, wenn ich fragen darf?“
    „Kulturgeschichte. Es gibt viel zu wenig Kulturhistoriker auf der Welt. Ich war schon immer praktisch veranlagt. Und wenn ich fertig bin und einen Job brauche, kann ich immer noch als Hundetrainer arbeiten.“
    „Wieso haben Ihre Studien Sie hierher geführt?“
    Er beobachtete den Schatten, der über ihr Gesicht zog. Das hätte er bei ihr gar nicht für möglich gehalten. „Das hat sich so ergeben. Ich habe im letzten Moment das Thema gewechselt. Eigentlich wollte ich etwas machen, das näher an zu Hause liegt, aber … es hat nicht geklappt wie erwartet.“
    Für einen Moment sah sie traurig aus, und Iain sah ihr an, wie sie gegen dieses Gefühl ankämpfte. „Also bin ich stattdessen hergekommen. Es hat mich schon immer fasziniert, wie alte Sagen und Legenden ihren Weg in unser modernes Leben finden, deshalb will ich untersuchen, welche der gängigsten Mythen dieser Gegend Wirkung auf das Alltagsleben hier nehmen – oder ob sie das überhaupt tun.“
    „Ich glaube nicht, dass ich verstehe.“
    „Wollen Sie ein Beispiel hören?“
    „Nur zu.“
    „Also, in Florida, da, wo ich herkomme, erzählt man sich die Geschichte einer Frau namens Betty Gray. Sie muss im frühen neunzehnten Jahrhundert gelebt haben. Betty Gray konnte keine Kinder bekommen. Eines Tages ging sie im Wald spazieren und traf auf einen winzigen Mann, der auf einem Baumstumpf saß. Der kleine Mann deutete tiefer in den Wald hinein, und Betty hörte ein Baby weinen. Sie ging in die Richtung, aus der das Weinen kam, doch als sie sich nach ein paar Schritten zu dem Männlein umdrehte, war es verschwunden. Fünfzig Meter weiter sah sie ein Baby unter einem Baum liegen. Sie nahm es mit nach Hause, und sie und ihr Mann zogen das Kind wie ihr eigenes auf. Viel interessanter ist jedoch, dass …“ Sie brach ab. „Ist das nicht schrecklich langweilig?“
    Ihre Augen leuchteten vor Enthusiasmus. Iain versuchte, sich zu erinnern, wann er das letzte Mal so etwas wie Begeisterung gefühlt hatte. „Nein, ganz und gar nicht.“
    „Nun, fast ein ganzes Jahrhundert lang riet man Frauen, die keine Kinder bekommen konnten, jeden Tag einen Spaziergang im Wald zu machen. ‚Auf Betty Grays Pfaden wandeln‘ nannte man das. Heutzutage wird die Redewendung in der Gegend noch immer dann benutzt, wenn man ausdrücken will, dass einem unerwartet etwas Schönes und Gutes passiert.“
    „Und solche Dinge wollen Sie hier untersuchen?“
    „Es ist mir eigentlich eine zweite Natur. Während meiner Kindheit lernte ich alte Dinge schätzen und lieben … Aber wie auch immer, deshalb kam ich nach Druidheachd. Ich dachte mir, ich kann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich kann meiner eigenen Familiengeschichte nachgehen und gleichzeitig an meiner Dissertation arbeiten. Das Leben ist viel zu kurz, um immer nur ein Ding nach dem anderen zu machen.“
    Solange er den Tee einschenkte, sagte er nichts. Erst, als er die Tassen auf den Tisch stellte, sagte er: „Ich weiß nicht, was Sie hier finden werden. Mir ist nur bekannt, dass die MacFarlanes schon vor Langem aus Druidheachd weggezogen sind.“
    „Sie würden sich wundern“, mit funkelnden Augen lehnte sie sich vor, „an was die Leute sich alles erinnern. Es ist alles noch da, all die Geschichten, die über Generationen erzählt werden. Ich muss nur die Leute finden, die als Kinder aufmerksam zugehört haben, und die bereit sind, mit mir zu reden.“
    „Dann bleiben Sie also eine Weile hier?“
    „Ja. Ich habe ein Zimmer in einem wunderschönen kleinen Haus angemietet, etwas außerhalb des Dorfs, bei einer alten Frau – Flora Daniels. Ich kann’s gar nicht abwarten, bis im Frühjahr alles zu blühen anfängt und im Sommer
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