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Gewagt - Gewonnen

Gewagt - Gewonnen

Titel: Gewagt - Gewonnen
Autoren: Berte Bratt
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Das wäre etwas für Astrid
     
     
    Tante Hildur schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, rückte ihre Brille zurecht und entfaltete die Zeitung.
    Ihrer Gewohnheit getreu ging sie schnell über den Leitartikel des Tages hinweg, streifte nur kurz die Überschriften des politischen Teils, interessierte sich eine Weile für das Lokale und widmete sich dann lange und andächtig den Todesanzeigen. Als sie auch damit fertig war, nahm sie sich die letzte – die eigentlich wichtige – Seite vor: Zu verkaufen – Zu kaufen gesucht – Zu vermieten – Offene Stellen – Tante Hildur las das alles langsam und sehr gründlich. Nach einer Weile war ihr eine gewisse Aufregung anzumerken. Sie setzte die Tasse so schnell aus der Hand, daß diese mit dem Teelöffel und der Untertasse zusammenstieß, faltete die Zeitung in der Mitte zusammen und las noch einmal, was tief unten auf der Seite stand.
    „Schau her!“ sagte Tante Hildur laut. „Das wäre etwas für Astrid!“
    Sie leerte die Tasse in einem Zug und ging ans Telefon.
    Die kleine, seit kurzem erst verheiratete Helga streckte sich und gähnte.
    Sie hatte ihrem Mann, der ins Büro mußte, vom Fenster aus noch nachgewinkt, war dann schnell wieder ins Bett gekrochen und gab sich nun dem Genuß einer Tasse extra starken Kaffees, einer guten Zigarette und der Morgenzeitung hin.
    Die Zigarette war bald aufgeraucht, der Kaffee ausgetrunken, und was die Zeitung anbetraf, so war sie auf der letzten Seite angelangt.
    „Sieh an!“ dachte die kleine Helga. „Das wäre etwas für Astrid!“
    Sie steckte die kleinen Füße mit den rotlackierten Nägeln in die weichen Hausschuhe, hüllte sich in den hübschen neuen Morgenrock und lief zum Telefon.
    Frau Liberg, die Abteilungsleiterin im Modesalon „Schick“, machte Frühstückspause.
    Sie hatte ein paar turbulente Morgenstunden hinter sich und ließ sich nun mit ihren Butterbroten, der Teetasse und der Zeitung in dem bequemen Sessel ihres kleinen Kontors nieder. Eine lange Ruhepause konnte sie sich nicht gönnen. Es waren viele Kundinnen im Geschäft, und ständig wurde nach der Abteilungsleiterin gefragt. Nun ja. Es war ja in einer Art recht gut, daß viel zu tun war, und es war ein schönes Gefühl, zu wissen, daß man nicht entbehrt werden konnte. Sie hatte eine gute und sichere Stellung und eine gute und sichere Einnahme. Das war aber auch sehr wünschenswert. Alles war jetzt so teuer geworden, und zwei erwachsene Kinder kosteten viel Geld. Hein zwar war gut untergebracht – er war bei einem Goldschmied in der Lehre –, aber für Astrid hatte sich noch keine passende Stelle gefunden. Und sie brauchten beide Kleidung, sie brauchten Essen und etwas Taschengeld.
    Frau Liberg blätterte in der Zeitung und nahm nur halb auf, was sie las.
    Sie legte die Zeitung zusammen, um sie Fräulein Johannsen in der Nähstube zu geben. Als sie sie auf den Tisch legen wollte, fiel ihr Blick zufällig auf eine Anzeige auf der letzten Seite. Sie nahm die Zeitung noch einmal auf und las das Inserat. Nachdenklich trank sie ihren Tee aus.
    „Mein Gott!“ sagte sie halblaut. „Das wäre wirklich etwas für Astrid!“
    „Entschuldigen Sie, Frau Liberg… was sagten Sie?“
    „Ach, Sie sind es, Fräulein Johannsen? Ich habe wohl mit mir selber gesprochen. Wissen Sie, ich las gerade eine Anzeige in der Zeitung, und mir scheint, das müßte etwas für meine Tochter sein.“
    Frau Generalkonsul Fredenhjelm saß im Modesalon und wünschte ein paar Abendkleider zu sehen. Sie verlangte aber, von der Abteilungsleiterin persönlich bedient zu werden. Es blieb Frau Liberg also nichts anderes übrig, als ihre Frühstückspause schleunigst zu beenden. Und mit ihrem freundlichen, ruhigen Lächeln bediente sie die Frau Generalkonsul, während ihre Gedanken um Astrid kreisten.
    „Ich glaube, gnädige Frau werden mit dieser Machart zufrieden sein“, sagte Frau Liberg in ihrer zuvorkommenden Art. „Gerade diese einfachen Linien…“
    Es war schon drei Jahre her, daß Astrid die Realschule hinter sich hatte, und noch immer hatte sie sich für nichts entscheiden können, obwohl die Mutter viele Vorschläge gemacht hatte. Sie hatte Maschinenschreiben und Buchhaltung gelernt und bei der Prüfung auch ganz gut abgeschnitten, aber sie konnte sich nicht entschließen, eine Stelle in einem Büro anzunehmen. Dann folgten der Webkursus und die kaufmännische Handelsschule. O ja, Astrid war so ordentlich, so pflichtbewußt; aber auf keinem Gebiet war sie
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