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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft
Autoren: Bernard Glemser
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habe ihm einen Brief geschrieben.«
    »Das ist wundervoll! Dann kann er Abschriften davon in der Kirche verteilen lassen!« Meine Stimme brach. »Liebling! Du liebst ihn! Das weißt du am besten!«
    »Darauf kommt es nicht an«, sagte Pogo. »Sie ist eben innerlich noch nicht reif für die Ehe.«
    Ich fuhr ihn an: »Sie war es, bis du kamst. Sie war wild darauf!«
    Seine Niedergeschlagenheit war wie weggewischt. Seine Augen glänzten triumphierend. »Unsinn! Sieh sie dir doch an — unerfahren, unerfüllt, an der Schwelle zum Leben zitternd...«
    Sogar Jessica war empört. »Oh, Vater!« sagte sie.
    »Ich nehme sie aus einem trivialen Leben heraus«, sagte Pogo hochmütig, »aus vorfabrizierten Blockhäusern und —«
    Sie unterbrach ihn und jagte ihm und mir einen Schreck ein, indem sie sagte: »Aber Vater, ich bin sehr gern hier!«
    »Du bist gern hier?« Er begriff nicht, was in ihr vorging.
    »Ja. Und ich will zurückkommen. — Mutter, es soll nur für ein Jahr sein. Wenn Vater mich solange haben will.«
    »Für immer!« rief er.
    Sie lächelte ihm zu. »Nein, nur ein Jahr. Dann bin ich dir langweilig.«
    Mein Zorn ebbte ab. Sie war überraschend ruhig, nicht ein bißchen wild oder hysterisch.
    Sie sagte: »Das habe ich alles Roger geschrieben. Ich habe ihn nicht auf gefordert, auf mich zu warten, aber wenn er in einem Jahr noch allein ist und mich haben will...«
    Sie sah mich an und dann Pogo. »Ich glaube, keiner von euch weiß, um was es mir geht.«
    »Ich weiß es!« sagte Pogo prompt. »Natürlich weiß ich es.«
    »Du weißt es auch nicht!« sagte sie und erklärte es ihm: »Ich liebe Roger. Das verstehst du nicht. Und ich will ihn heiraten und mit ihm Kinder haben und sein Leben mitleben. Es wird ein schönes Leben für mich sein!«
    Ich beobachtete sie, beobachtete jede Bewegung.
    Jetzt sprach sie zu mir. »Ich weiß, daß ich ein großes Wagnis eingehe. Möglicherweise verliere ich alles. Aber ich kann es nicht ändern, weil ich zuerst etwas für meinen Vater tun muß.«
    »Für mich?« fragte Pogo stirnrunzelnd.
    »Ja«, erwiderte Jessica und sagte wieder zu mir: »Weißt du noch, Mutter, was du gestern abend gesagt hast?«
    »Was?« fragte Pogo argwöhnisch.
    Es fiel mir wieder ein, und ich fing an zu begreifen.
    »Was?« wiederholte Pogo.
    Ich hatte keinen Grund, es ihm vorzuenthalten. »Daß du so allein wärst!« sagte ich.
    »Oh — und was noch?«
    »Daß du jemanden brauchst, der dich liebt, sich um dich kümmert...« Ich schwieg.
    Eisig sagte er: »Ihr scheint euch große Sorgen um mich zu machen!«
    Jessica fuhr für mich fort: »Vater — du hast es selbst gesagt, als du ankamst. Wir haben nur so wenig Zeit... so wenig Zeit... Und: Ich bin gekommen, um etwas wegzugeben, was ich nie besessen habe. Weißt du noch?«
    »Und so war es!«
    »Aber es ist ungerecht!« rief sie. »Du darfst nicht allein sein!« Sie bat: »Mutter, es ist ungerecht! Ganz gleich, was früher zwischen euch war. Er braucht mich! Ohne mich ist er einsam! Ich kann ihn nicht allein gehen lassen!«
    Pogo sagte bitter: »Da hast du deine Rache, Kate!«
    Jessica sah ihn verwirrt an. »Was meinst du damit?«
    Im selben Augenblick fand sie selbst die Antwort. Und sogar in dieser schrecklichen Situation war ich stolz auf ihre Klugheit und ihr Taktgefühl. Sie trat zu ihrem Vater und sagte: »Außerdem habe ich noch einen Grund.«
    »Welchen?« Er hatte Angst vor einem neuen Schlag für seine Eitelkeit.
    »Es würde mir so große Freude machen!« sagte sie.
    »Meinst du das ehrlich?«
    »Natürlich! Alles, was ich immer schon so gern mit dir zusammen erleben wollte!«
    Sie lachten sich zu. Sie sahen die fabelhaften, in der Sonne funkelnden Inseln vor sich, fühlten die honigduftenden Winde über sie hinwehen, hörten die melodischen Namen: Delos und Naxos, Paros, Amorgos und los und Serifos. Ich ertrug es nicht.
    »Jessica!« sagte ich.
    »Sie gehört mir, Kate«, sagte Pogo. »Laß sie gehen!«
    »Nein!« sagte ich.
    »Laß sie gehen!« bat mein Vater.
    Ich sagte: »Jessica, geh in dein Zimmer!«
    Sie blieb stehen. Noch nie war sie mir ungehorsam gewesen. Ich wartete. Und dann sagte sie sehr ruhig: »Mutter — mein Leben lang habe ich getan, was du gewollt hast. Jetzt möchte ich nur eine Zeitlang beim Aufwachen morgens denken können: was werde ich heute erleben?«
    Pogo sagte: »Das Wundervollste auf der Welt!«
    »Mutter, du hast alles erlebt!« sagte Jessica. »Gib mir auch die Möglichkeit!«
    »Ich war jung«, sagte ich,
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