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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft
Autoren: Bernard Glemser
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diesem Augenblick umbringen können. Ich drehte ihm den Rücken zu, ging zum Tisch, kramte in den Papieren, die darauf lagen, fand das Telegramm und starrte darauf, als ob ich so etwas noch nie gesehen hätte. »Oh!« sagte ich strahlend. »Das muß es sein!« und gab es Pogo.
    »Verzeihung!« murmelte er und öffnete es.
    Der frische Klebstoff blieb ihm an den Fingern hängen. Er sah ihn an, sah mich an und lachte in sich hinein.
    »Bei diesem Wetter trocknet nichts«, sagte ich.
    »Nichts«, murmelte Pogo. Er wischte den Klebstoff ab, zog das Telegramm aus dem Umschlag und las es. Mit verstecktem Lachen in den Augen blickte er zu mir herüber, und eine endlose Sekunde lang fochten wir schweigend einen tödlichen geistigen Ringkampf aus.
    Niemand im Zimmer merkte etwas davon, aber es war die endgültige Kriegserklärung — des Krieges, der alle anderen Kriege zwischen uns zu Ende bringen würde.
    Pogo ging hinkend mit Jessica, die ihn stützte, langsam ins Nebenzimmer, und zum erstenmal seit ihrer Ankunft sprach mein Vater, lustig, als ob nichts gewesen wäre.
    »Hat jemand Lust zu einer Partie Schach?«
    Mit einer Antwort rechnete er gar nicht. »In diesem Falle«, sagte er, »werde ich eine Patience legen.« Er setzte sich an den kleinen Tisch beim Fenster und zog ein Kartenspiel aus der Brusttasche.
    Ich sagte: »Beruhige dich, Roger!«
    Er war weiß im Gesicht und bekam kaum Luft. »Was hat er vor?« fragte er. »Sollte sie mich nicht mehr leiden können?«
    Er packte eine Stuhllehne und versuchte, Haltung zu bewahren. »Wir haben so gut miteinander gestanden — das wissen Sie! Alles war in Ordnung! Bis er kam!«
    »Nun, Roger...«, sagte Jim mitleidig.
    Roger fuhr zu ihm herum. Er mußte jede Erregung durch Bewegungen seines großen, muskulösen Körpers ausdrücken. »Ich ertrage diese Behandlung nicht!« sagte er. »Sie verabscheut mich!«
    Ich sagte: »Roger, sie verabscheut Sie bestimmt nicht!«
    Er rief: »Weshalb benimmt sich Mr. Poole nicht, wie es seinem Alter zukommt?« Dann wandte er sich ebenso hastig an meinen Vater: »Mr. Savage, Sie kennen sie gut — sie wird darüber hinwegkommen, nicht wahr?«
    »Nicht unverändert«, sagte mein Vater. »Sie wird nie wieder dieselbe sein.«
    »Weshalb nicht?« fragte Roger.
    »Die Schlange sagte zu Eva: >Genieße das Leben.< Und sie war nie wieder dieselbe.« Mein Vater sah von seinen Karten auf. »Es stimmt nicht genau, aber es paßt.«
    Roger sagte zu mir: »Können wir die Hochzeit nicht absagen? Und wenn ich sie überreden kann, heute nacht mit mir davonzulaufen — würden Sie es erlauben?«
    »Oh, Roger, nein!«
    Mit dumpfer Stimme sagte er: »Ich glaube nicht, daß ich es bis Sonnabend aushalte!«
    »Pssst!« sagte ich.
    Jessica und Pogo standen in der Tür. Sie hatten ihn sprechen hören — sie hätten es gar nicht vermeiden können.
    Eine bedrückende Stille trat ein. Pogo nahm einen Schluck aus dem Glas mit Kognak und Soda, das er in der Hand hielt.
    Jessica fragte kalt: »Weshalb kannst du es nicht bis Sonnabend aushalten?«
    Nach einem Augenblick Schweigen antwortete Roger: »Seinetwegen.«
    »Vielleicht brauchst du es nicht bis Sonnabend auszuhalten.«
    Ich versuchte einzugreifen. »Jessica!«
    Sie schritt durch das Zimmer auf Roger zu und stand wartend vor ihm.
    »O. K.«, sagte Roger. »Und weiter?«
    »Das mußt du sagen.«
    Leicht scherzend sagte Pogo: »Sie wollen doch nicht etwa andeuten, daß Jessica zwischen uns beiden wählen muß, Roger? Dann bewegen Sie sich auf einem gefährlichen Pflaster, mein Junge!«
    Roger sah ihm gerade in die Augen. Er hatte seine Selbtbeherrschung zurückgewonnen und war nicht eingeschüchtert. »Darauf will ich es ankommen lassen.«
    Und diesmal versuchte Jim einzugreifen. Nett und vernünftig sagte er, es sei ein schöner Abend, und junge Leute müßten frische Luft haben. »Roger, weshalb gehst du nicht mit Jess noch ein bißchen im Garten spazieren?«
    Roger versetzte ebenso vernünftig: »Weil er mitkommen würde. Wir können ebensogut hierbleiben.«
    Pogo machte eine liebenswürdige Handbewegung. »Ich würde nicht daran denken, mich aufzudrängen.«
    »Das tun Sie!« sagte Roger.
    »Vorsicht!« sagte Pogo. Er war nach wie vor ungezwungen und selbstsicher, aber seine Augen hatten sich zusammengezogen. »Ich bin ihr Vater!«
    »Nein!« sagte Roger. »Sie sind es nicht! Ich weiß darüber Bescheid — ich züchte Bullen. Ich verschicke den Samen, Kälber werden geboren, aber die Bullen kümmern sich nicht
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