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Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Titel: Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
Autoren: Gill Lewis
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mich an, als versuche er gerade, die richtigen Worte zu finden.
    »Sie wird uns ein Zeichen senden«, sage ich. Meine Augen sind voller Tränen. Ich blinzle sie weg und muss an die Möwenfeder denken, die ich an dem Tag gefunden habe, an dem Mum verschwunden ist. Ich muss an die schneeweiße Kaurimuschel denken, die ich in der Nacht entdeckt habe, als wir für Mum Kerzen aufs Meer schwimmen ließen. »Sie wird uns ein Zeichen senden, so, wie sie es immer gemacht hat.«
    Dad hält mich an der Schulter fest, aber seine Hände zittern. »Lass es gut sein, Kara«, sagt er. »Es gibt keine Zeichen. Es hat nie Zeichen gegeben.«
    Ich stoße seine Hände weg.
    Zwischen uns breitet sich ein tiefes Schweigen aus.
    Kein Lüftchen regt sich. Die Oberfläche des Meeres ist spiegelglatt.
    »Kara«, sagt Dad. Er kniet sich vor mir hin. »Schau mich an.«
    Ich schließe meine Augen ganz fest.
    »Kara …«
    Ich halte mir die Ohren zu, weil ich nichts hören will.
    Ich verberge den Kopf in meinem Schoß, um nichts an mich heranzulassen.
    Ich will nicht hören, was er gleich sagen wird.
    Ich will es nicht hören.
    Aber es nützt nichts.
    Ich höre es ihn sagen, trotzdem.
    »Mum kommt niemals zurück.«

Kapitel 4
    Dad hat diese Worte noch nie zuvor gesagt. Ich stehe auf und rücke von ihm weg.
    »Du hast aufgegeben«, sage ich, »du hast aufgegeben!«
    »Kara …«
    Ich ziehe die Rettungsweste aus und hole aus meiner Tasche Tauchmaske und Flossen.
    »Kara, setz dich«, sagt Dad.
    Ich schlüpfe in die Flossen, stülpe die Tauchmaske über, stelle mich auf die Bordwand und halte mich an den Wanten fest, die den Mastbaum sichern. Das Wasser unter mir ist so klar wie Kristall.
    »Kara, komm runter …« Dad streckt seine Hand aus.
    Aber ich ergreife sie nicht.
    Ich lasse mich fallen und tauche hinab ins Wasser, hinein in das strahlende, von Sonnenlicht durchströmte Meeresblau. Ich drehe mich um und verfolge den Schweif silberner Luftbläschen, der sich in einer Spirale nach oben bewegt. Durch die wellige Oberfläche erkenne ich Dad, wie er sich über die Bordwand lehnt und heruntersieht. Ich schlage kräftig mitden Flossen, schlängle mich durchs Wasser und schwimme weg von ihm, Richtung Strand.
    Im Kopf zähle ich die Sekunden, die mir bleiben, bis ich auftauchen muss. Ich zähle die Sekunden bis zum ersten Atemzug. Mein Herz hämmert schnell, zu schnell. Ich kann mich nicht entspannen. Meine Lungen brennen. Die Rippen tun weh. Ich kann keine Ruhe finden, die mein Herz erleichtern und meinen Kopf klar machen würde. Dafür bin ich zu wütend. Ich muss jetzt atmen, schieße nach oben und schnappe nach Luft.
    Ich befinde mich auf halbem Weg zwischen Dad und dem Strand. Ich kann Dad meinen Namen rufen hören, aber ich schwimme weiter, bis meine Hände den weichen Sand der Bucht berühren. Ich lege Flossen und Tauchmaske ab und gehe barfuß über die Felsen zum Pfad am Klippenrand. Mein T-Shirt flattert nass und kalt an mir herum und meine Shorts kleben an den Beinen, aber ich laufe weiter und drehe mich nicht um.
    Erst als ich den Zaunübertritt erreiche, über den man klettern muss, um dem Pfad landeinwärts zu folgen, mache ich kehrt und robbe durch das hohe Gras. Die Segel der Moana sind gesetzt. Dad verlässt die kleine Bucht. Er segelt in Richtung Reservat, in das Gebiet, das zwischen dem Strand und Gull Rock, der kleinen Insel draußen vor dem Kap, liegt. In der frühen Abendsonne werfen die Segel lange Schatten.
    Ich setze mich auf, streife Sand und Meersalz von der Kleidung und sehe mich um. Eine frische Brise weht durch dasGras. Hier oben bin ich ganz allein. Ich will nicht zurück zu Tante Bev. Ich kann ihr und Onkel Tom nicht gegenübertreten. Und Dad will ich jetzt auch nicht ins Gesicht schauen.
    Hinter dieser Bucht liegt eine kleinere Bucht, die für die meisten Boote zu schmal ist. Das Wasser dort ist tief und kristallklar. Die Bucht läuft in einem Streifen Sandstrand aus. Ich gehe in ihre Richtung, entferne mich vom Küstenpfad und steuere auf die Wand aus grünen Stechginsterbüschen zu, die die Klippen umsäumen. Als ich mich durchs Gebüsch zum Klippenrand dränge, verhaken sich die Dornen in meinem T-Shirt. Unterhalb des bröseligen Bodens und der verschlungenen Ginsterwurzeln durchbricht ein harter, schwarzer Fels die weicheren, graugrünen Schieferschichten und erstreckt sich bis hinunter zur Bucht. Ich klettere nach unten, spüre im Stein all die vertrauten Löcher und Wölbungen, an denen man Halt findet, und
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