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Der geheime Stern

Der geheime Stern

Titel: Der geheime Stern
Autoren: Nora Roberts
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1. KAPITEL
    D ie Frau auf dem Bild hatte ein Gesicht, das wie geschaffen schien, einen Mann bis in seine Träume zu verfolgen. Es war atemberaubend schön. Die strahlend blauen Augen lächelten verführerisch und wissend unter langen schwarzen Wimpern hervor, die Brauen waren perfekt geschwungen, mit einem hübschen kleinen Leberfleck unter dem linken Brauenbogen. Die Haut war weiß wie Porzellan und von einem warmen, rosigen Hauch überzogen, gerade warm genug, um einen Mann von der Hitze träumen zu lassen, die nur er allein erzeugen konnte. Die Nase war fein und gerade geschnitten.
    Der Mund – und diesen Mund konnte man schwerlich ignorieren – wirkte voll und einladend, weich und doch fest, die rote Farbe war nicht weniger als pure Versuchung. Umrahmt wurde dieses unglaubliche Gesicht von langem tiefschwarzem Haar, das in sanften Wellen über nackte Schultern floss.
    Glänzend, üppig, faszinierend. Die Art von Haar, in dem sich ein Mann verlieren wollte, in das er hineinfassen und gleichzeitig seinen Mund auf die weichen, lächelnden Lippen hinabsenken wollte.
    Grace Fontaine, dachte Seth. Eine Studie weiblicher Perfektion.
    Verdammt schade, dass sie tot war.
    Er wandte sich von dem Porträt ab, verärgert, dass sein Blick und seine Gedanken immer wieder dorthin zurückwanderten. Er wollte etwas Zeit allein am Tatort verbringen, jetzt, nachdem die Leute von der Spurensicherung ihre Arbeit beendet und der Gerichtsmediziner die Leiche mitgenommen hatte. Zurückgeblieben war nur der weiße Kreideumriss des leblosen Körpers, eine hässliche Silhouette auf dem auf Hochglanz polierten Parkettfußboden.
    Die Todesursache hatte man schnell gefunden: Grace Fontaine war vom oberen Stockwerk aus direkt über die geschwungene Balustrade nach unten gestürzt, wo sie mit dem Gesicht zuerst in einem großen Glastisch gelandet war.
    All die Schönheit eingebüßt. Was für eine Schande.
    Genauso schnell war klar gewesen, dass bei dem Sturz jemand nachgeholfen haben musste.
    Das Haus war überaus beeindruckend, wie Seth feststellte, als er sich nachdenklich umsah. Hohe Decken und ein halbes Dutzend Dachfenster, durch die die zartroten Lichtstrahlen der untergehenden Sonne fielen. Sehr feminin. So wie alles hier irgendwie weiblich wirkte: das geschwungene Treppengeländer, die Fenster und Türen. Das Glas funkelte, das Holz glänzte, die Möbel waren sorgfältig ausgewählt – kostbare Antiquitäten, das erkannte er auf einen Blick.
    Es würde nicht leicht sein, die Blutspritzer aus dem taubengrauen Bezug der Couch zu entfernen. Er versuchte sich vorzustellen, wie es hier ausgesehen hatte, bevor der Mörder ins Haus gekommen war, um seine Bewohnerin in die Tiefe zu stoßen.
    Mit Sicherheit hatten da keine zerbrochenen Statuen und aufgeschlitzten Kissen herumgelegen, die Blumen waren bestimmt in hübschen Vasen arrangiert, es hatte kein Blut gegeben, keine Scherben und auch keine Schichten weißen Puders, die die Spurensicherung hinterlassen hatte.
    Grace Fontaine hatte es sich leisten können, luxuriös zu leben. Nachdem ihre Eltern jung gestorben waren, hatte sie mit einundzwanzig ein ansehnliches Vermögen geerbt. Sie hatte eine exzellente Ausbildung genossen und war der Liebling der Country-Clubs gewesen, während ihre konservative Familie sie zum schwarzen Schaf erklärt hatte. Den Fontaines gehörte die berühmte Kaufhauskette Fontaine Department Stores .
    Selten verging eine Woche, in der Grace nicht auf den Gesellschaftsseiten der Washington Post erwähnt wurde oder jemand sie für eines der Hochglanzmagazine abschoss. Nicht immer zu ihrem Vorteil.
    Die Presse würde sich mit Begeisterung auf dieses letzte Abenteuer der Grace Fontaine stürzen, und zwar in der Sekunde, in der die Nachricht durchsickerte. Keine ihrer Eskapaden würde unerwähnt bleiben: das Nacktfoto, das sie mit neunzehn für ein Männermagazin gemacht hatte, die leidenschaftliche und sehr öffentliche Affäre mit einem verheirateten englischen Adeligen, der heiße Flirt mit einem Frauenschwarm aus Hollywood.
    Und es gab noch mehr Kerben in ihrem Designergürtel. Der amerikanische Senator, der Bestsellerautor, der Maler, der sie porträtiert hatte, der Rockstar, der angeblich versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, als sie ihn verließ.
    Eine Menge Männer für ein so kurzes Leben.
    Grace Fontaine war mit nur sechsundzwanzig Jahren gestorben.
    Und nun war es nicht nur seine Aufgabe, das Wie herauszufinden, sondern vor allem auch: durch wen. Und
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