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Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Titel: Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
Autoren: Gill Lewis
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herüber. Und sie ist wütend. Wäre ich doch lieber über die Felder nach Hause gelaufen!
    »Was ist das Problem?«, sage ich.
    »Komm jetzt in den Wagen«, schnauzt sie mich an, »sofort.«
    Ich steige hinten ein und setze mich neben Daisy. Sie sitzt da, in Bademantel und Hausschuhen, und mampft eine Familienpackung Chips. Normalerweise ist sie um diese Zeit im Bett.
    Tante Bev fährt herum und starrt mich wütend an. »Was ist das Problem?« Sie spuckt die Worte förmlich aus.
    Ich werfe einen Blick auf Daisy. Sie zeigt auf mich und zieht ihre Hand quer über die Kehle. Ich bin so gut wie tot.
    »Was ist das Problem?«, schreit Tante Bev noch einmal. »Die Küstenwache und die Polizei suchen nach dir. Das ist das Problem. Dein Dad ist mit ihnen losgezogen. Er ist außer sich.« Sie steigt aufs Gaspedal und wir schießen vorwärts. »Du wirst dich auf ein paar Fragen gefasst machen müssen, wenn wir nach Hause kommen, da kannst du sicher sein, mein Mädchen.«
    Ich schnalle mich an und bleibe stumm.
    Wir fahren nach Hause. Es ist still und dunkel. Daisy nimmt meine Hand in ihre und drückt sie. Ich drücke zurück.
    »Ich hab ihnen gesagt, dass du okay bist«, flüstert sie. »Aber sie wollten nicht zuhören.«
    »Schluss jetzt, Daisy«, blafft Tante Bev. »Du solltest schon vor einer Stunde im Bett sein.«
    Wieder zu Hause, sitze ich in der Küche und warte auf Dad.
    Ich kann hören, wie Onkel Tom mit der Polizei und mit der Küstenwache telefoniert und ihnen mitteilt, dass ich gefunden wurde. Tante Bev macht für Daisy einen Topf Milch warm. Zwar wurde Daisy gesagt, sie solle nach oben gehen, aber sie sitzt am Küchentisch und wickelt in einem fort eine goldblonde Haarlocke um ihren Finger. Sie beugt sich zu mir herüber, bis unsere Köpfe nahe beieinander sind. »Was ist passiert?«
    Die Frage überrascht mich.
    »Der weiße Delfin ist gekommen«, flüstere ich.
    Daisys Augen werden groß. Sie ist die Einzige, die von meinen Träumen weiß.
    »Jetzt ab ins Bett, Daisy!«, befiehlt Tante Bev. Sie gießt die warme Milch in eine Tasse und deutet auf die Treppe.
    Ich stehe auf, aber Tante Bev signalisiert mir zu bleiben. Ich möchte nicht mit ihr allein sein. Daisy umklammert ihre Tasse mit beiden Händen und verlässt das Zimmer. Sie wirft mir ein kleines Lächeln zu, bevor sie die Treppe hochgeht und verschwindet.
    Tante Bev gießt sich selbst eine Tasse Tee ein und lehnt sich an den Ofen. »Nun?«, sagt sie.
    Ich starre meine Hände an und sage nichts.
    »Ich hab gehört, du hast heute Jake Evans eins auf die Nase gegeben.« Sie schaut mich herausfordernd an.
    Ich leugne es nicht.
    »Die einzige Person in diesem Haus, die einen anständigen Job hat, ist bei Jakes Vater beschäftigt«, fährt sie mich an. »Willst du, dass auch Onkel Tom seine Arbeit verliert? Willst du das?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nein, Tante Bev«, sage ich, »es tut mir leid.«
    Sie seufzt und reibt mit der Hand über ihren prallen Bauch. »Gott weiß, dass dieses Jahr hart für dich gewesen ist, Kara, aber du bist nicht die Einzige, die sich schwertut. So können wir nicht weitermachen. Es wird Zeit, dass wir in dieser Familie ein ernsthaftes Gespräch miteinander führen …«
    Aber sie beendet den Satz nicht, weil Dad ins Zimmer stürzt. Er drängt sich am Tisch vorbei, reißt mich an sich und schlingt die Arme um mich. In seinem dicken Wollpullover fühle ich mich richtig begraben. Er riecht nach Holzrauch und Maschinenöl. Ich spüre Dads warmen Atem in meinem Haar und glaube für einen Augenblick, ich wäre wieder fünf Jahre alt.
    »Es tut mir leid, Kara«, sagt er, »es tut mir so leid.«
    Tante Bevs Stimme fährt dazwischen. »Kara sollte es leidtun. Sie hat uns alle in Angst und Schrecken versetzt.«
    Dad aber hält mich an den Schultern. »Es tut mir leid«, sagt er, »was ich über Mum gesagt habe. Das hätte ich nicht tun sollen.« Seine Augen sind rot, deshalb glaube ich fast, dass er geweint hat – aber ich habe ihn vorher noch nie weinen sehen.
    »Das wird schon wieder, Dad.« Ich lächle ihn an. »Sie hat uns ein Zeichen gegeben. Ich hab einen Delfin gesehen, einen weißen Delfin. Mum hat ihn uns geschickt.«
    Dad schiebt mein Haar zurück. Er schaut mir direkt in die Augen, doch ich weiß nicht, was er denkt.
    »Mum ist immer noch für uns da, Dad«, sage ich, »das weiß ich.«
    Tante Bev knallt ihre Tasse so auf den Tisch, dass der Tee über den Rand schwappt. »Deine Mutter ist überhaupt nicht mehr für dich da, und
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