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Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Titel: Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
Autoren: Gill Lewis
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darüber, was du mit Jake Evans’ Nase gemacht hast.«
    Ich runzle die Stirn. Ich will überhaupt nicht zur Schule gehen.
    »Ich hab Jake eine große Schachtel Pralinen geschickt, mit deinem Namen drauf«, sagt sie. »Hat mich doch fast zehn Pfund gekostet. Wollen wir hoffen, dass das auch seinen Dad bei Laune hält.«
    Ich stehe auf und packe meine Schultasche. »Ich warte draußen«, sage ich zu Daisy.
    Der Himmel ist blau und klar. Über den fernen Meereshorizont zieht ein blassgrauer Wolkenfetzen. Ich möchte nichts anderes tun, als mit der Moana hinauszufahren, aberDad ist schon früh aufgebrochen, um den Hausgästen im Pub das Frühstück zuzubereiten. Ich lehne mich gegen den Wohnwagen, scharre mit den Füßen über den trockenen Boden und warte auf Daisy. Ich wollte, ich wäre mit ihr wieder in der Grundschule. Dort habe ich mich sicher gefühlt. Da ging es nicht nur um Worte und Zahlen, wie jetzt in der Oberstufe. Außerdem war Mum letztes Jahr noch hier.
    »Ich komme!«, ruft Daisy.
    Sie läuft mit der Schultasche über der Schulter den Weg herunter und zieht dabei eine größere Tragetasche hinter sich her. »Was hast du da drin?«, frage ich.
    »Ein Feenkleid und Flügel und einen Zauberstab und ein Geschenk für Lauren.« Sie grinst. »Für ihre Geburtstagsfeier nach der Schule.«
    Ich rolle mit den Augen. »Hab ich vergessen«, sage ich. »Komm schon, ich trag’s.«
    Ich führe Daisy durch die Ansammlung von Müttern und Kinderwagen vor dem Eingang der Grundschule und umarme sie. »Nach der Schule bin ich wieder hier«, sage ich.
    Daisy greift in die Tasche und zieht ein zerknittertes Stück Papier hervor. »Das hab ich für dich gemacht«, sagt sie, »soll dir Glück bringen, wenn du Mrs Carter siehst.«
    Ich streiche das Papier glatt und lächle. Ein mit weißer Wachsmalkreide gemalter Delfin schwimmt in einem tintenblauen Meer. »Danke, Daisy«, sage ich, »das ist genau das, was ich brauche.«
    So meine ich das auch. Ich brauche alles Glück, das ich kriegen kann.
    Ich muss die Doppelstunde Kunst freitagmorgens versäumen, weil ich Sonderstunden bei Mrs Baker habe, meiner Betreuungslehrerin. Lieber würde ich Mathe oder Informatik verpassen. Kunst ist das einzige Fach, das mir Spaß macht. Es ist nicht so, dass ich Mrs Baker nicht mag. Wenigstens werde ich in ihrem Unterricht nicht ausgelacht. Sie meint, dass meine Lese-Rechtschreib-Schwäche nur eine andere Art des Denkens ist. Ich erinnere mich daran, dass sie gesagt hat, das würde in manchen Familien weitergegeben, weshalb ich vermute, dass ich nicht lesen und schreiben kann, weil es Dad auch nicht kann. Mum wollte ihn mal zu jemandem schicken, der ihn untersucht, aber er ist nicht hingegangen und meinte, es wäre für ihn zu spät, das noch zu lernen.
    Das einzige freie Zimmer ist ein Container ganz hinten am Schulhof, der jetzt als Lagerraum dient. Ich sitze an einem der Tische und vor mir liegt ein Kasten mit Sand. Heute üben wir Mrs Bakers neue Methode, sie nennt sie multisensorische Entwicklung .
    Ich nenne sie verschwendete Zeit.
    Ich ziehe den Kasten zu mir, hebe eine Handvoll Sand auf und lasse die Körner durch die Finger rieseln. Es ist der grobe Sand vom Parkplatz am Ende des Strandes, nicht der feine weiße Sand in der Nähe der Gezeitenbecken, dort, wo es zum Kap geht.
    Mrs Baker zieht ihren Stuhl heran und streicht den Sand glatt. »Versuchen wir es mal mit dem ›au‹-Laut, wie in ›Taube‹, zum Beispiel.«
    Meine Finger schweben über dem Sand und ich ziehe die Linien eines »a« nach. Ich weiß, wie das geht. Das ist wie der Umriss des Gull Rock vom Strand aus gesehen. Die eine Seite ist rundlich und die andere geht steil nach unten, und in der Mitte liegt eine dunkle Höhle. Ich beginne mit der oberen Krümmung des »a«, wo der Fels vom Seevogelkot ganz weiß gefleckt ist. Auf der dem Meer zugewandten Seite nisten Tölpel. Ich habe sie beobachtet, wie sie in der Luft umherkreisen und dann wie kleine weiße Raketen ins Meer schießen und nach Fischen tauchen. Dad und ich haben auch Papageientaucher gesehen, wie sie über den Wellen entlangflitzen. Ich fahre mit meinem Finger nach unten, dorthin, wo sich graue Robben aus dem Wasser auf den flachen Fels schleppen und am nahen Kieselstrand gegenüber der Festlandsküste ihre Jungen kriegen. Unter Wasser liegende Felsen und Brandungstore und Höhlen ziehen sich von dort aus ins Meer. Das Wrack eines Kriegsschiffs ist inzwischen zu einem Teil des Riffs geworden. Ich zeichne
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