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Perth

Perth

Titel: Perth
Autoren: Peter Martin
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Kapitel 1

    A ls wir unseren beigefarbenen VW-Käfer an einem klaren goldenen Septembermorgen im Jahre 1965 durch die wunderbare Landschaft des Bundesstaates New York steuerten, um bei einem dort im Norden ansässigen Züchter unseren Beagle zu kaufen, konnten wir nicht im Geringsten ahnen, was uns erwartete. Wir rechneten mit den üblichen Ausgaben und Unannehmlichkeiten, hätten uns jedoch nie träumen lassen, welchen tiefen und nachhaltigen Einfluss unsere neue Gefährtin auf unser Leben haben würde. Mit unserer Beagle-Hündin sollten meiner Frau Cindy und mir weitaus größere Prüfungen, Ängste und größeres Leid bevorstehen, als die meisten Hunde ihren Familien jemals bescheren. Einen guten Teil hatten wir uns selbst zuzuschreiben, aber diese Hündin würde niemals einfach nur ein Haustier sein. Sie war eher wie eine Kraft, wie eine Lebensart, eine Weise, Dinge zu betrachten, eine Freundin, eine Inspiration, ein Abenteuer. Sie schenkte uns größte Freude, aber sie stürzte uns auch in Todesängste.
    Wir waren beide Mitte Zwanzig und frisch verheiratet. Wir wollten noch keine Kinder, nur einen Hund. Es war für uns ein günstiger Zeitpunkt, einen zu kaufen. Ich hatte noch ein Jahr bis zu meiner Promotion in Englischer Literaturwissenschaft und schrieb zu Hause an meiner Doktorarbeit, während Cindy jeden Tag loszog, um in der nahe gelegenen Grundschule zu unterrichten. Das Schreiben ist eine einsame Angelegenheit, daher dachte ich, dass es mir Freude machen würde, tagsüber einen Hundegefährten zu haben. Unser Zuhause war für einen Hund ideal. Es war eine hübsche Wohnung im ausgebauten Dach über einer großen Garage, malerisch am Ufer des Cazenoviasees gelegen und nur eine Viertelstunde von der Ortschaft Cazenovia entfernt, einer schottischen Siedlung aus dem neunzehnten Jahrhundert. Es gab Wälder und Felder ringsum, einen See zum Schwimmen und Kanufahren und viele Kaninchen, die man jagen konnte. Ein Hundeparadies.
    Einen Beagle wollten wir aus praktischen Gründen. Beagles sind intelligent, mutig, mittelgroß, und sie haben kurzes Haar, das sich nicht auf Möbeln und Teppichen verteilt. Außerdem sind sie innerhalb der Familie der Jagdhunde ein guter Kompromiss zwischen schoßsitzenden Dackeln oder Spaniels und dahinschlurfenden, sabbernden Bassets . Ein Beaglezüchter in der Nähe des Green Lakes State Parks hatte zwei oder drei Würfe zur Auswahl, und seine Zucht hatte einen guten Ruf. Als wir auf den Drahtzaun zugingen, hinter dem sich etwa fünfzehn reinrassige Beaglewelpen befanden, begann ungefähr die Hälfte von ihnen, uns wild anzubellen und zu heulen, was Beagles auf sehr überzeugende Weise tun. Die anderen waren müde, desinteressiert und passiv. Sie blickten gelangweilt drein und regten sich nicht im Geringsten. Da wir Ruhe und Frieden sehr zu schätzen wussten, kamen die Lauten für uns nicht infrage. Weil wir aber auch abenteuerlustig waren, sollte es ebensowenig ein langweiliger Hund sein.
    »Wir werden auf keinen Fall einen von diesen Schlafmützen nehmen«, sagte ich, »wir brauchen einen lebhaften Hund .«
    »Ja, aber keinen zu lebhaften.«
    In diesem Moment erblickten wir einen Welpen, der seine Ohren aufstellte und uns ruhig und verständnisvoll ansah. Cindy stieß mich an: »Schau mal, der hübsche Schwarze mit dem braunen Kopf, dort drüben auf dem Rasen, der uns gerade ansieht. Ich wünschte, er würde näher herkommen .«
    Der Welpe sah uns weiter intensiv an, bewegte sich aber nicht. Ich war überwältigt von seiner Schönheit, besonders von seinem weichen, runden, braunen Kopf, seiner perfekten weißen Brust und den weißen Pfoten. Plötzlich, als spüre er eine Art Verbundenheit mit uns, sprang er auf und schoss durch die herumtollenden anderen Welpen direkt auf uns zu. Er blieb genau vor uns stehen, stellte sich am Zaun auf und sah uns mit einem verzweifelten, flehenden Blick an. Wir streichelten seinen Kopf und seine Pfoten durch den Zaun hindurch und wussten es sofort.
    »Das ist er, ganz bestimmt«, flüsterte ich aufgeregt, »er will zu uns, die anderen nicht .«
    »Und wir wollen ihn! Lass ihn uns mit nach Hause nehmen. Sieh nur seine Augen .«
    Fünfzig Dollar und zehn Minuten später hatten wir die Papiere des Welpen erhalten, und Cindy hielt ihn in ihren Armen, wo er ruhig und zufrieden war.
    »Ach übrigens, bevor Sie gehen«, sagte der stämmige Züchter, als wir gerade aufbrechen wollten, »Sie sollten den Hund lieber von mir mit Ihren Initialen tätowieren
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