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Perth

Perth

Titel: Perth
Autoren: Peter Martin
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wir am Ufer eine Pause ein und setzten uns auf einen Baumstamm, um uns auszuruhen und etwas heißen Tee aus der Thermoskanne zu trinken. Perth war jetzt fast ausgewachsen und da sie den ganzen Herbst über ständig frei herumgelaufen war, hatte sie sehr kräftige Muskeln bekommen. Auf dem Eis zu sein war für sie die reinste Ekstase. Am besten gefiel es ihr, weit vorauszulaufen, kurz innezuhalten, sich dann umzudrehen und mit maximaler Geschwindigkeit direkt auf uns loszuschießen und schließlich, anstatt in uns hineinzudonnern, wie sie es bei Frederick machte, seitwärts auszuweichen und einen großen Bogen zu schlagen. Das ging endlos so dahin. Sie war unermüdlich, ein schwarz-braunes Fellbündel mit einer weißen Brust, das wie ein geölter Blitz immer größere Kreise zog. Sie war wie in Trance, als ob sie durch etwas angetrieben wurde, das sie nicht zur Ruhe kommen ließ.
    Was den Schnee betraf, konnten die älteren Leute, die ihr ganzes Leben schon in Cazenovia verbracht hatten, sich nicht daran erinnern, dass es schon jemals so viel geschneit hatte. Über ein halber Meter fiel ein paar Tage nach Weihnachten — zu spät für eine weiße Weihnacht — und es schneite weiter. Während eines Sturms Ende Januar, der noch heute der »Große Schneesturm« genannt wird, fiel innerhalb von ein paar Tagen ein weiterer Meter, so dass Anfang Februar knapp zwei Meter Schnee lagen, und es sah nicht so aus, als würde er bald schmelzen. Der Schnee machte das Leben vieler Menschen sehr beschwerlich, aber seine schimmernde Magie auf den Hügeln, den Bäumen, auf Scheunen und dem See war atemberaubend. Die gesamte Landschaft war zu einer gedämpften Stille gefroren. Die ganze Natur schien lebendig begraben zu sein. Wenn man eine geräumte Straße zum Laufen fand, hatte man das Gefühl, als sei man allein auf der Welt, ein einsames Wesen, umgeben von Wänden und weißen Schichten unter, neben und über sich. Es war bezaubernd.
    Eisläufen konnte man in diesem Winter nicht mehr, nachdem der ganze Schnee gefallen war, aber Perth zog nach wie vor, so gut es ging, ihre Kreise auf der krustigen Oberfläche — und das stundenlang. Die Natur hatte in diesen Monaten ein spannendes Drama für ihr Leben ersonnen, das sie allmählich als selbstverständlich erachtete, als Teil des normalen Lebens. Würde es immer so sein?
    Als die Welt im März und April wieder auftaute, war klar, dass ich meinen Doktortitel im Sommer erwerben und wir dann in den Mittleren Westen ziehen würden, damit ich meinen neuen Job beginnen konnte. Keiner von uns beiden freute sich darauf, weil es das Ende unserer Zeit der Unschuld und Frische bedeutete, die wir mit der uns umgebenden Schönheit des Landes und des Wassers, mit unserer neuen und perfekten Ehe und der Anwesenheit von Perth mit ihrer Kraft und Energie identifizierten. Wir fühlten uns geborgen in unserem Gefühl der Jugend und der Hoffnung. Diese Gegend gegen die relativ flache und prosaische Landschaft Ohios im Mittleren Westen eintauschen zu müssen schien unfair zu sein. Ich dachte sogar daran, den Job sausen zu lassen. Was Perth anging, so musste sie denken, dass es überall so war wie in Cazenovia. Wir konnten sie uns nirgendwo anders vorstellen.
    Die letzten Sommermonate am See kamen uns vor wie ein wunderbarer Altweibersommer all dessen, was gut, blühend und herrlich war. Jeden Tag machte Perth meilenweite Streifzüge und erkundete Pfade, die durch Wälder, Weiden, Hügel und einsame Farmen, an Flüssen und Wasserfällen entlang und zu Gärten und Golfplätzen führten. Von der Morgen- bis zur Abenddämmerung war sie völlig frei. Häufig kam sie abends nach Hause und hatte kaum noch Kraft in den Gliedern. Dann schlummerte sie stundenlang bewegungslos; nur manchmal zuckte sie leicht, und ihre Augen rollten hin und her, wenn sie eingebettet in die weichen Kissen der Sessel von ihren Abenteuern träumte. Das Bemerkenswerte war, dass sie immer sauber roch. Man hatte nie unangenehm riechende Hände, wenn man sie angefasst hatte, wie es bei vielen anderen Hunden der Fall ist. Sie hatte auch nie Mundgeruch, was besonders schrecklich für die Besitzer ist, da es in der Regel schlimmer riecht als der übelste Mundgeruch bei Menschen.
    Sie hatte manchmal sogar einen verlockenden, fast verführerischen Duft an sich. Wir nannten ihn den Groggy-Hunde-Duft . Besonders Cindy liebte diesen Geruch. Wenn Perth eine Weile geschlafen oder sich irgendwo zusammengerollt hatte, strömte ihr Körper einen warmen,
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