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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition)
Autoren: Daniel Strahl
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    1 DIE NACHT DER TANZENDEN TOTEN
     
     
    Man kann sein Leben auf alle erdenklichen Arten versauen. Manche Menschen tun dies in Jahrzehnte langer Kleinarbeit, andere brauchen dafür nur Wochen. In meinem Fall genügten wenige Minuten. Der Zusammenbruch meiner Welt wurde eingeleitet, als im letzten Oktober mein alter Freund Ben anrief.
    »Ja?«
    »Marek? Marek Winter?«
    »Ja, am Apparat. Und mit wem spreche ich?«
    »Ich bin’s Ben!«
    »Ben! Ich dachte schon, du seiest tot. Wir haben ja schon seit Wochen nichts voneinander gehört.«
    »Genau genommen ist es fast ein halbes Jahr her. Hör zu: Ich bin für ein paar Tage in Bremen und dachte mir, ich komm mal vorbei.«
    »Klingt gut, bist du schon in der Stadt?«
    »Ja, ich hab ein Gästezimmer genommen. Hey, was hältst du davon, wenn wir heute zusammen einen saufen gehen, du und ich. Weißt schon, wie früher.«
    Ich freute mich, von Ben zu hören, fühlte mich jedoch ein wenig überfallen. Ich war schon ewig nicht ausgegangen und deshalb ein wenig nervös. Also hielt ich den Hörer zu und fragte meine Frau nach ihrer Meinung, heimlich hoffend, sie würde etwas dagegen haben. Katie war jedoch begeistert von der Idee und bestärkte mich darin, überredete mich beinahe. Vielleicht wollte sie mal wieder Zeit für sich allein haben, was seit der Geburt unseres Sohnes Kai vor 20 Monaten nicht mehr sehr oft vorkam. Also sagte ich zu. Das war es. Ohne es zu wissen, hatte ich damit alles kaputt gemacht. Ich hätte den Abend bei meiner Familie verbringen können. Wir hätten Kai ins Bett gebracht, hätten noch kurz ferngesehen und wären dann schlafen gegangen. Und am nächsten Tag wäre unser Leben zwar nicht das gleiche gewesen, aber es wäre im Kern intakt geblieben. Aber so war uns jede Chance auf ein normales Leben nach dem nächsten Tag für immer genommen.
    Ben kam gegen 21 Uhr. Auf meine Frage, wohin wir eigentlich gingen, antwortete er:
    »Ins Inferno.«
    Das Inferno war ein neuer Club in der Hafengegend von Bremen Walle. Der neue Club. Eine Reihe von Clubbetreibern hatte sich kürzlich zusammengeschlossen, um ein großes Gebäude in Bremen zu kaufen und aufzumöbeln. Das Ergebnis war ein Veranstaltungszentrum mit mehreren Clubs, das vom Publikum sogar angenommen wurde. Erstaunlich war dies, weil das Inferno ein Motto hatte, dass nicht gerade nach einer riesigen Laufkundschaft schrie. Viele Bremer hatten sich bereits auf einen neuen Space Park eingestellt, ein Millionen teures Ungetüm, das noch vor seiner Fertigstellung Pleite gehen würde. Das Inferno jedoch lief. Es war auch nicht annähernd so teuer wie das Millionengrab von Gröpelingen und lockte zudem Besucher aus ganz Norddeutschland an. Ich war gespannt.
    Als Ben und ich die Eingangshalle des Infernos betraten, war ich zunächst enttäuscht. Plakate mit Höllenmotiven und projizierte Flammen zierten die Wände. Das Ambiente wirkte aufgesetzt und erinnerte eher an den Vorraum eines Kinos. Drinnen gab es drei Clubs mit jeweils unterschiedlichen Größen und Konzepten. Anhand von Bildschirmen konnte man von der Eingangshalle aus einen Blick in die einzelnen Räume werfen. Ben stürzte sich darauf wie ein kleiner Junge.
    »Ist das geil oder was? Da steht sogar die aktuelle Playlist von jedem Club. Hey, man kann sogar reinhören!«
    »Na, dann lass mal hören, was uns gleich erwartet.«
    »OK, fangen wir mal mit der Dark Zone an.«
    Die Dark Zone war der größte Club und zugleich die Partyzone des Infernos. Ein Blick auf die Playlist und ich war baff.
    »Also, ich habe mit vielem gerechnet, aber…«
    »Jaja, Bauhaus, Killing Joke, The Cure…«
    »Und die Kids tanzen sogar dazu. Und dabei wette ich, die meisten waren noch nicht mal geboren, als ‚Love Like Blood‘ rauskam.«
    »Marek, da waren wir selbst noch Kinder. Lass mal sehen, was in dem mittleren Laden läuft.«
    Der nächst kleinere Club hieß schlichtweg Hölle. Und was wurde darin gespielt?
    »Metal, natürlich.«
    Auch die Hölle war trotz des albernen Klischeenamens voll. Gerade berichteten Six Feet Under grunzend von dem Tag, an dem die Toten liefen. Dagegen klang der Song von Unheilig, der als nächstes in der Dark Zone gespielt wurde, wie altbackener Schlager.
    Wir entschieden uns für den dritten Club: Das Cave war eine mäßig beleuchtete Kneipe im Keller des Gebäudes, in der ausnahmslos unbekannte Untergrundperlen aus dem Reich der Finsternis gespielt wurden. Eine stylische Wendeltreppe führte uns hinab in den
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