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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition)
Autoren: Daniel Strahl
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und gesellte mich gegen 9.30 Uhr frisch geduscht an den Frühstückstisch zu Katie und Kai. Gott, war ich froh, mit gutem Gewissen sagen zu können, keinen Unsinn angestellt zu haben. Naja, jedenfalls keinen, der meine Ehe gefährdet hätte. Ich nahm zwei Aspirin gegen die hämmernden Kopfschmerzen und setzte mich. Katie schenkte mir lächelnd eine Tasse Kaffee ein.
    »Na, ihr habt ganz schön zugeschlagen, oder? Im Arbeitszimmer roch es heute Morgen ja wie in einer Schnapsfabrik.«
    »Ja, wir waren im Inferno und haben es ganz schön krachen lassen. Zum Glück sind wir einigermaßen früh zurück gewesen.«
    »Wann wart ihr denn hier?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht genau, zwei Uhr oder so.«
    »Und, wie war das Inferno?«
    In diesem Moment meldete sich Kai zu Wort. »Perno!«
    Wie immer musste ich unweigerlich grinsen, wenn mein Sohn Dinge nicht ganz richtig aussprach. »Richtig, Kai. Papa war im Inferno.«
    Ich biss herzhaft in mein Brötchen.
    »Das Inferno ist schon komisch. Es sind eigentlich drei Discos in einem, alles ziemlich albern, aber es funktioniert. Das Ding, in dem wir waren, war eher eine Kneipe. Dafür war die Musik besser.«
    »Im Radio wurde heute gesagt, dass es da Ärger gab, habt ihr das mitgekriegt?«
    Mein verkaterter Verstand rumorte. Mir dämmerte, dass ich irgendetwas gesehen hatte, doch die Erinnerung wollte nicht kommen. Ich zuckte hilflos mit den Achseln und warf meiner Frau einen verschmitzten Blick zu.
    »Frag mich das nach dem Kaffee, mein Verstand arbeitet noch im Ruhemodus.«
    Katie schmunzelte. In diesem Moment tauchte Ben in der Küche auf.
    »Hi Katie! Hallo Kai!«
    »Ben!« Kai freute sich wie immer, wenn Besuch da war.
    Ben schenkte sich einen Kaffee ein und stöhnte.
    »Ihr habt nicht zufällig Paracetamol?«
    »Geht auch Aspirin?«
    »Perfekt.«
    Ben ließ sich ein Aspirin reichen und setzte sich an den Tisch. Er nahm einen Schluck Kaffee und wandte sich Katie zu. Er schien unsere Unterhaltung mitgehört zu haben.
    »Ich sag dir, was gestern los war. Wir haben eine fette Schlägerei gesehen. Die haben ganz schön zugelangt. Irgendwann kam zum Glück die Bullerei und hat die Scheiße beendet.«
    Katie und ich legten fast gleichzeitig den Finger auf die Lippen und räusperten uns, Ben strafende Blicke zuwerfend. Ben schaute erst ein wenig verwirrt, dann verstand er.
    »Oh, ich meine natürlich, die Polizei hat die Schande beendet.«
    Den Rest des Vormittags verbrachten wir in Kais Kinderzimmer und spielten. Kai zeigte Ben jedes einzelne Spielzeug, jedes Matchboxauto, jedes Kuscheltier, jeden Klotz. Mittags aßen wir zusammen Kais Lieblingsgericht - Spaghetti Bolognese, als Nachtisch Erdbeerjoghurt. Nach dem Essen gingen Ben und ich auf den Balkon und rauchten eine Verdauungszigarette. Mir brummte noch immer der Schädel. In der Ferne hörten wir immer wieder das Martinshorn eines Krankenwagens. Oder war es die Feuerwehr? Die Polizei? Alle drei? Hier und da knallte es. Irgendetwas war los. Dann klopfte Katie an das Balkonfenster und winkte uns hinein. Sie war kreidebleich.
    »Was ist los?«, fragte ich sie, als wir wieder drinnen waren.
    »Ich habe gerade Nachrichten gehört.«
    »Und?« Meine Stimme überschlug sich fast. Die Erinnerungen an das Ende des Abends waren schlagartig wieder da. Ein Teil von mir rechnete damit, dass Ben und ich wegen des Kampfes von letzter Nacht gesucht wurden.
    »Wir werden evakuiert.«
    »Was!?!« Ich schüttelte den Kopf. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. »Evakuiert? Wieso das?«
    »Keine Ahnung. Die Bundeswehr kommt irgendwann und holt uns ab. Mehr haben die nicht gesagt.«
    »Aber was soll das?«
    »Frag mich nicht…. Ich hab Angst.«
    Ich nahm sie in den Arm. »Ich auch.« Und das war nicht gelogen. Ich geriet in Panik. Katie ging es nicht besser. Gott, dies war kein Krisengebiet, nicht Afghanistan, nicht der verdammte Gazastreifen. Dies war Bremen Walle, ein leicht langweiliger Stadtteil in einer auch sonst nicht als übermäßig aufregend geltenden Stadt. Evakuiert!
    Das Wort wollte nicht in meinen Schädel. Panisch rannten wir zu Kai und drückten ihn. Dann rannte ich zum Telefon, bekam aber kein Freizeichen. Versuchte es am Handy. Wieder nichts. Katie kam wieder und zeigte auf den Laptop. Auch sie bekam keine Verbindung. Wir waren hysterisch, riefen dummes Zeug durcheinander, wollten die Situation nicht akzeptieren. In Filmen und Büchern und noch öfter in den Nachrichten hatte ich von Menschen gehört
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