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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
Autoren: Jeri Smith-Ready
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Steinen befreit hatte, rollte sie die Decke aus und wickelte sich darin ein. Ihre Kleider für den folgenden Tag benutzte sie als Kissen.
    Sie starrte in die Schatten, die sich über dem moosbewachsenen grauen Findling links von ihr befanden, und wusste, wenn sie die Augen schloss, würde die immer gleiche Szene vor ihrem geistigen Auge auftauchen.
    Ihr Bruder Nilo, der im Matsch und Blut des Schlachtfeldes ausgestreckt dalag. Der sein Leben gegeben hatte, um ihres zu retten.
    Sie schuldete es ihm, mutig zu sein, schuldete es ihm, stolz auf das zu sein, was sie getan hatte, um sein Dorf zu verteidigen. Aber in ihren Gedanken erschienen noch immer die leeren Gesichter der Toten.
    Marek ließ sich auf ihrem Weg nichts anmerken und zeigte nach außen viel weniger Schmerz, als er empfand. Wenn Rhia wüsste, wie groß seine Schmerzen waren, würde sie darauf bestehen, dass er im Lager blieb. Er würde sich weigern, und sie würden zum elften Mal denselben Streit haben.
    Er verstand nicht, wie sie ihn nach all den Gefahren, denen sie gegenübergestanden hatten, als überfürsorglich bezeichnen konnte. Fürsorglich schon, er wollte sie schließlich beschützen, aber das konnte man nicht übertreiben.
    „Gehen wir langsamer“, sagte sie. „Ich bin müde.“
    Marek wusste, dass sie kleinere Schritte machte, um seinem verletzten Bein Erleichterung zu verschaffen. Rhia hatte nicht lange gebraucht, um zu lernen, wie man seinen Stolz beschwichtigte, und dafür liebte er sie. Dafür und aus ungefähr siebenhundertneunundvierzig weiteren Gründen.
    Er sehnte sich danach, den Verband von seiner Wade zu reißen und die Wunde mit einem spitzen Stock zu kratzen. Die Salbe, die Elora jeden Morgen auftrug, half so gut bei der Heilung, dass das Jucken jetzt fast schlimmer war als der Schmerz. Doch ihm war auch bewusst, wie viel Glück er hatte, überhaupt noch ein Bein zu haben, das er kratzen konnte.
    Durch die sich lichtenden Bäume konnte er die breite, ruhige Oberfläche des Flusses im dumpfen Mondlicht schimmern sehen. Der Nebel schien vom feuchten Boden bis zum Mond selbst hinaufzuwabern. Mareks Haut sehnte sich nach dem kühlen Wasser aus den Bergen.
    Das Ufer führte steil hinab und war von Baumwurzeln durchzogen. Er ließ Rhias Hand los und nahm ihren Ellenbogen. „Pass auf, wohin du trittst.“
    Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ich bin schwanger, nicht blind. Ahh!“ Sie stolperte über eine Wurzel und fuchtelte wild mit dem Arm, um das Gleichgewicht zu halten.
    Behutsam half Marek ihr den Abhang hinab und drehte sich um, als sie sich auszog. Sie nackt zu sehen war für ihn die reinste Folter, da sie sich in ihrem Monat der Trauer nicht lieben durften. Er konnte an fast nichts anderes mehr denken. Es war egal, dass er sein Bein nicht bewegen konnte, ohne große Qualen zu erleiden, oder dass seine Haut von der Sonne so vergiftet war, dass sie an mehreren Stellen aufplatzte. Er hatte überlebt und wollte jeden Augenblick seines Lebens mit der Frau genießen, die er beinah verloren hätte.
    Hinter ihm ertönten ein Platschen und ein Keuchen. Er drehte sich um und sah, dass Rhia bis zum Hals eingetaucht war. „K…kalt“, sagte sie mit klappernden Zähnen. „Wessen blöde Idee war das bloß?“
    Er lächelte, als er sich Schuhe, Socken und Hose auszog. Das obere Drittel seiner Wade war mit einem Verband umwickelt. Er war erleichtert, im trüben Licht keine frischen Blutflecke auf den weißen Stoffstreifen erkennen zu können.
    Eine Reihe großer Felsen ragte links von ihm aus dem Wasser. Immer noch mit Pfeil und Bogen bewaffnet, ging er vorsichtig von einem zum anderen, bis er in Rhias Nähe war. Von diesem Aussichtspunkt hatte er einen guten Überblick über den ganzen Fluss und konnte sich immer wieder nach Eindringlingen umsehen. Nachdem er nichts Ungewöhnliches hatte entdecken können, setzte er sich an den Rand des rauen Felsens und streckte sein rechtes Bein darauf aus. Seinlinkes Bein tauchte er ins kalte Wasser.
    Rhia, deren feuchtes Haar am Kopf klebte, kam zu ihm geschwommen. „Brauchst du Hilfe?“
    „Es geht mir gut.“
    „Hör auf damit, Marek. Es geht dir nicht gut“, gab sie zurück. „Fall ich dir auf die Nerven?“
    „Ja. Jetzt zieh dein Hemd aus und leg dich hin.“
    Er lachte in sich hinein. „Ich sollte dich öfter nerven.“ Er reichte ihr sein Hemd und streckte sich auf dem Rücken aus. Rhia tauchte den Stoff ins Wasser und drückte ihn über seiner Brust aus. Marek seufzte vor
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