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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
Autoren: Jeri Smith-Ready
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die an Pfosten gefesselt waren. Zilus, der Falke, Anführer des Dorfrates – tot, seine Kehle aufgeschlitzt. Seine Frau Dori – tot. Zwei weitere Mitglieder des Rates – tot. Alle Hingerichteten waren alt.
    Elora stolperte an Marek vorbei, vielleicht auf der Suche nach einem Lebensfunken, den sie wieder zu einer Flamme entzünden konnte. Er suchte zwischen den Leichen seiner Nachbarn nach den langen weißen Haaren von Kerza.
    Die Nachfahren hatten sich zuerst der mächtigsten Dorfbewohner entledigt. Aber wo waren die jungen Leute in seinem Alter? Wo waren die Kinder?
    Zorn erwachte in seinem tiefsten Innern, als er den grotesken Anblick der Toten vor sich sah. Diese Menschen hatten ihn aufgezogen, hatten ihm beigebracht, wie man im gnadenlosen Bergwald überlebte. Er hatte geschworen, sie zu verteidigen. Stattdessen hatte er sie verlassen und die besten Krieger von Kalindos davon überzeugt, ihm nach Asermos zu folgen, um in einem Krieg zu kämpfen, der nicht der ihre war.
    Einem Krieg, der jetzt zu ihm nach Hause gekommen war.
    Rhia ignorierte das Seitenstechen auf ihrem Weg durch das Dorf. Gequälte Schreie erfüllten die Luft, aber sie alle stammten von den Lebenden. Krähes Schwingen konnte Rhia in ihren Gedanken nicht hören. Er hatte Kalindos schon vor Stunden überflogen und alles, was ihm gehörte, mit in sein Reich auf der anderen Seite genommen.
    Sie zwang sich, nicht langsamer zu werden, je näher sie dem Gatter kam.
    Elora trat aus dem Nebel auf sie zu. „Es ist nichts mehr übrig. Nichts für mich zu tun.“ Die Knie der Heilerin gaben nach, bis sie sich auf den Boden setzte und den Kopf in den Händen vergrub.
    Als Rhia weiterlief, schloss sie sich in die gleiche Hülle ein, die sie schon während der Schlacht beschützt hatte. Nachdem so viele vor ihren Augen gestorben waren, wie konnte das hier schlimmer sein?
    Doch es war schlimmer.
    Die Ältesten der Kalindonier baumelten blass und bläulich von den hohen Pfosten des Gatters. Mit kalten Händen strich sie sich das Haar aus den Augen und untersuchte den Körper von Zilus. Seine Kehle war durchgeschnitten, aber an seinen Füßen war keine Blutlache, was bedeutete, dass man ihn an einem anderen Ort umgebracht und hierhergezerrt hatte, um ihn wie eine Trophäe aufzuhängen. Der Anblick drehte ihr den Magen um.
    Ihre letzten Augenblicke mit dem alten Falken waren bitter gewesen, denn er hatte sich geweigert, ihrem Heimatdorf Asermos Hilfe zu schicken, als sie dringend nötig gewesen war. Ironischerweise waren jetzt genau die Kalindonier noch am Leben, die sich Zilus’ Erlass wiedersetzt und gegen die Nachfahren gekämpft hatten.
    Nachdem sie das Gebet des Übergangs gesprochen hatte, trat Rhia an den nächsten Leichnam, einen männlichen Ältesten. Sie fragte sich, wie ihr Verstand diesen Anblick ertragen konnte, ohne zu zerbrechen. Ein weiterer „Segen“ der Krähe. Mit einigen geflüsterten Worten und einer Berührung der feuchten Stirn des Mannes, bei der sie nicht zurückzuckte, entließ sie eine weitere Seele in die Schwingen des Geistes.
    Zwischen den klagenden Rufen der Neuverwaisten sprach jemand ihren Namen. Ruckartig kehrte sie in die wirkliche Welt zurück. Marek stand neben ihr. Er berührte ihren Arm. Sie zuckte zurück, und er überlegte es sich anders.
    „Adreks Vater“, sagte er. „Auch der von Morran. Zwölf insgesamt. Jeder Kalindonier in der dritten Phase, bis aufKerza, und sie ist nicht hier.“
    „Wo sind die anderen?“, flüsterte sie und fürchtete sich vor der Antwort.
    „Fort. Vielleicht sind sie geflohen, oder … warte.“ Er atmete tief durch die Nase ein. „Hier ist noch jemand am Leben.“
    Beide blickten zum Stall, der sich innerhalb des Gatters befand. Er war groß genug für alle sieben kalindonischen Ponys, von denen sechs nach Asermos ausgeschickt worden waren. Ein Seil war an jeden der vier Eckpfosten des Gatters gebunden. Die Seile führten in den Stall und verschwanden unter der Tür. Plötzlich bewegte sich eines der Seile im Sand.
    Rhia und Marek riefen laut um Hilfe und beeilten sich, die Stalltür zu öffnen. Alanka folgte ihnen. Die zwei Wölfe schossen vor Rhia in die Dunkelheit des Stalls. Sie blieben auf der Türschwelle stehen und warteten, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    „Das ist Thera“, rief Marek aus der mittleren Box.
    Rhia trat vor. Der Hals der jungen Falkenfrau, ihre Handgelenke und die Fußgelenke waren mit den Seilen gefesselt, die zu den Pfosten vor dem
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