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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes
Autoren: O Krouk
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wenn du mich gebraucht hättest … «
    »Du hättest mich besucht!« Die Mutter streckte die Arme aus, hob das Glas und goss sich das Benzin über den Kopf. Ihre Lippen standen offen, die Augen hatte sie weit aufgerissen. Die Flüssigkeit füllte ihren Mund, rann das Kinn entlang und tränkte ihre Kleidung. »Du hättest Poul mögen sollen. Poul hätte dich mir nie weggenommen. Besucht! Nein, Leah. Zusammen müssen wir sein. Leah und Lucia. Verstehst du?«
    »Was wolltest du mit Nathalies Tochter? Warum dieses Kind?«
    »Ein Fehler.«
    »Ein Fehler?«
    »Weißt du noch, wie wir früher zusammengesessen, wie ich dir stundenlang die Haare gebürstet habe? Ich wollte dich zurückhaben. Aber sie war nicht du.«
    »Du brauchst Hilfe«, entfuhr es Leah. Sie biss die Zähne zusammen. Nein. Das war falsch. Wenn sie Kay hier rausbringen wollte, musste sie mitspielen. Diese Frau verstehen, ihr geben, was sie sich wünschte. »Ich hab dich lieb. Ich hätte dich nie verlassen, wenn du es mir bloß gesagt hättest.«
    »Ich kann nicht ohne dich. Du bist alles, was ich habe. Wer hat das Recht, sich zwischen uns zu stellen, die Liebe von Mutter und Tochter zu stören?«
    »Ich weiß. Ich verstehe das jetzt. Niemand wird sich zwischen uns stellen.«
    »Nur du und ich, so wird es sein. Bis in alle Ewigkeit.« Die Haut glänzte von der Flüssigkeit, als ein Lächeln ihre Lippen spannte.
    Mit jedem Atemzug sog Leah immer mehr von dem beißenden Geruch ein. »Mach die Tür auf. Bitte.«
    »Alles wird gut, Leah. Niemand wird dich mir mehr nehmen können.« Sie beugte sich zu der Laterne hinunter, öffnete die Tür und holte die Kerze heraus.
    »Nein!« Mit der flachen Hand schlug Leah gegen das Holz. »Tu es nicht! Du hast gesagt, du möchtest, dass wir zusammen sind. Ich werde bei dir bleiben, hörst du, nur stell diese Kerze wieder hin!« Sie presste die Wange gegen die Tür. Lass Kay gehen … Lass ihn frei …
    Mit der Kerze vor der Brust näherte die Mutter sich dem Spalt.
    »Mama, bitte!« Leah starrte die Flamme an. Auspusten? Zu nah an der benzingetränkten Kleidung. Schon der leiseste Zug konnte ein Feuer entfachen.
    »Es wird enden, wo alles angefangen hat, hier und jetzt. Wir werden fortgehen, wo uns niemand mehr finden wird.«
    Die Flamme zitterte. Noch ein wenig, und die kleine Zunge würde über den Stoff lecken.
    »Mama, bitte! Stell sie zurück!«
    »Du und ich, Leah. Für immer. Zeig mir, dass du es willst.« Sie führte die Kerze zum Mund und atmete die Flamme ein.
    In Sekundenschnelle erfasste das Feuer ihren Körper. Ihr Mund schrie, schrie die pure Glut aus.

38
    Der Luftzug aus geballter Hitze wehte Leahs Haare nach hinten und trocknete ihre Tränen. Das Feuer schien heiß in ihren Augen zu tanzen. Die Glut drohte, ihre Haut zu versengen, als sie von dem Spalt weggezogen wurde. Die Tür ging zu. Leah stürzte. Irgendwohin, als würde alles um sie herum emporlodern, während sie fiel, fiel, fiel …
    In Kays Umarmung.
    Ihr Kopf schlug auf seine Brust. Leah rollte sich von ihm herunter, tastete umher, um Halt zu finden und zumindest auf alle viere zu kommen. In der Nase – der Geruch nach verbranntem Fleisch, derselbe Geschmack auf der Zunge. Bloß nicht die Lider zumachen, keine Sekunde lang. Nicht sehen, wie ihre Mutter brannte.
    Sie kippte doch noch zur Seite und blieb auf dem Boden liegen. Regungslos. Stumm. Vielleicht auch nicht. Vielleicht schrie sie, wie alles in ihr schrie, über die leise Stimme hinweg, die nach ihr rief.
    »Leah. Leah … « Kay drückte sie an sich. Schützend deckte er ihren Körper mit seinem und ein klein wenig hilflos – wie ein Schiffbrüchiger, der mit letzter Kraft nach einem Stück Treibholz griff.
    Erst jetzt merkte sie, wie sie unter ihm bebte. Fast krampfhaft zuckten ihre Muskeln. Aber sie weinte nicht, keine Tränen spülten den Schmerz aus ihren Augen.
    »Leah. Sieh mich an. Leah!«
    Im Lichtstrahl der Taschenlampe sah sie die Rauchschwaden, die durch die Ritze unter der Tür hereinkamen und den Raum mit ihrem Wabern füllten.
    »Leah!« Sie zuckte zusammen, obwohl er ihren Namen nur geflüstert hatte. Langsam drehte sie den Kopf und sah ihm insGesicht. In das Grauen, das ihre Mutter ihm angetan hatte. Jede Schwellung, jeder Bluterguss klagte sie an, als wäre sie esgewesen, die Hand an ihn gelegt hatte. »Es … « … tut mir so leid. Sie konnte es nicht einmal sagen. Als wären die Worte aus Rauch gewoben, der ihre Kehle reizte und sie zum Würgen brachte.
    »Nicht
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