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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes
Autoren: O Krouk
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ihre Sinne, ließ sie die Orientierung verlieren. Blindlings stolperte sie vorwärts, fiel, nur um wieder aufzustehen und weiterzugehen.
    Jemand packte sie von hinten. Sie schrie auf, wehrte sich, kam jedoch nicht gegen ihren Angreifer an. Sie spürte, wie sie nach draußen geschleppt wurde, wie ihr Protest schwächer wurde, wie ihre Kräfte sie verließen.
    Die frische Luft kühlte ihren Kopf. Schlaff hing sie in den Armen ihres Angreifers und hustete sich den Rauch aus der Lunge, wurde umgedreht, angeschrien.
    »… verstehst du mich?«
    Sie schüttelte den Kopf, hustete und würgte. Sah vor sich ein Gesicht: feine Züge, besonders die Nase, ein wenig zu perfekt, dazu ein deutlich definiertes Kinn mit einem Grübchen, in dem sich die Schatten der Nacht fingen. Nick. Nick Milla. Was … was machte er hier?
    Im Moment schleifte er sie davon und redete auf sie ein. Sie stotterte nur: »Kay … Keller … «, und wieder: »Kay!«
    »Bleib hier!«, bellte er ihr ins Gesicht und drückte sie mit dem Rücken gegen das schmiedeeiserne Tor. Die Metallranken bohrten sich schmerzhaft in ihr Fleisch. Sie schlug seine Hände beiseite, doch er packte sie erneut. »Du bleibst hier, verdammt! Oder ich kette dich an. Klar?«
    Er rannte zum Haus zurück und verschwand aus ihrem Blick. Das Gebäude ächzte und stöhnte in den Flammen. Ein Balken, der dem letzten Brand noch standgehalten hatte, neigte sich zur Seite. Im Innern der Villa krachte etwas zusammen, und ein weiterer Teil der Ruine sackte ein, während Myriaden von Funken in den schwarzen Himmel stoben.
    Leahs Beine gaben nach.
    Ewigkeit ist, wenn die Hoffnung stirbt.
    Wenn alles stirbt, auch man selbst. Ihre Arme ruhten auf ihren Oberschenkeln. Blut tränkte den zerfetzten Stoff ihres Pullovers, die Fäden und Maschen, die wie aufgewühlte Erde hervorquollen.
    Es krachte erneut, doch sie rührte sich nicht, um zuzusehen, wie das einstürzende Haus alles Leben unter sich begrub. Trägheit erfüllte ihren Körper, während der Blutfleck an ihrem Ärmel größer wurde.
    Schwere, langsame Schritte ertönten auf dem Kopfsteinpflaster. Aufschauen. Du musst … Dass sie den Blick hob, war kaum ihrem Willen geschuldet. Dass sie zwei Gestalten durch die Dunkelheit taumeln sah, spielte sich nur irgendwo am Rande ihres Bewusstseins ab.
    Nick. Nick und Kay, der eher geschleppt wurde, als dass er selbst ging, bis Nick seinen Körper neben ihr zu Boden gleiten ließ und selbst auf die Knie fiel.
    »Kay … « Sie beugte sich zu ihm, strich ungläubig über sein Gesicht.
    »Das wird schon wieder«, flüsterte Nick. Er krümmte sich und schnappte nach Luft. Aus dem Augenwinkel nahm Leah nur die Linie seines Rückens und das blond schimmernde Haar wahr. Eine Brise wehte ihr den Geruch von verbranntem Fleisch entgegen.
    Nein, sie musste ihn vergessen. Den brennenden Leib ihrer Mutter.
    Restlos aus ihrem Verstand tilgen.
    »Das wird schon wieder«, flüsterte Nick noch einmal und drehte sein Gesicht zu ihr. Die Haut war schwarz und rot, an mehreren Stellen aufgeplatzt; das Grübchen am Kinn wie weggeätzt.
    Entsetzt starrte sie ihn an. Bis er zur Seite kippte und das Bewusstsein verlor.

39
    Leah hatte oft Träume, in denen sie irgendwohin schwamm, schwimmen musste. Rhythmisch mit Armen durch die Tiefen rudern, dazu die Beine gegen die Wassermassen schlagen, bis zu den Krämpfen, bis zur völligen Erschöpfung … bis das Wasser über ihrem Kopf zusammenschlug und die Schwere ihres eigenen Körpers sie gegen den Grund zog.
    Wenn sie nach Luft schnappte und die Augen aufriss, war es Kay, der sie festhielt, an den sie sich lehnte, und den Schreck abklingen ließ. Sie drückte ihre Wange gegen seine Brust, und sein regelmäßiger Herzschlag trug sie zurück in die Geborgenheit, in der sie Abend für Abend einschlief. Weiterzuleben war einfach. In seinen Armen.
    Heute hatten die Träume sie verschont. Langsam machte sie die Augen auf und stellte fest, dass der Tag längst angebrochen war. Ein Tag mit weitem blauem Himmel hinter dem Fenster, mit viel klarer Luft zum Atmen, viel mehr, als sie je in ihre Brust aufnehmen könnte.
    Die Betthälfte neben ihr war zerwühlt, aber leer. Auf der Anrichte leuchtete das Clementinenfoto wie ein erstes Lächeln, das Kay ihr am Morgen schenkte. Der Geruch nach frisch aufgebrühtem Kaffee hatte den Weg ins Schlafzimmer gefunden. Und der warme Duft nach Croissants, sodass der Teig sogleich zwischen ihren Zähnen zu knuspern begann, zumindest in ihrer
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