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0762 - Vollstreckerin der Ewigen

0762 - Vollstreckerin der Ewigen

Titel: 0762 - Vollstreckerin der Ewigen
Autoren: Volker Krämer
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Alwa Taraneh war übergangslos erwacht.
    Ein langsames Auftauchen aus der Tiefe des Schlafes kannte sie nicht. Still blieb sie liegen und dachte über das Außergewöhnliche der Situation nach. Der Traum gehörte zu ihr, war ihr vertrauter nächtlicher Begleiter, der Alwa immer wieder die Momente der eigenen Geburt zeigte.
    Doch mit dem entsetzten Aufschrei der Mutter war er für gewöhnlich nicht beendet. Alwa Taraneh setzte sich aufrecht hin und lauschte in die Dunkelheit hinein. Da war nichts.
    Doch irgend etwas musste ihren stets leichten und flüchtigen Schlaf gestört haben. Es war der Schlaf einer Frau, die stets mit Gewalt und Anschlägen gegen sich rechnen musste, da sie dieses »Geschäft« selbst betrieb. Ihre erste Unachtsamkeit wäre die letzte in diesem Leben. Und Alwa Taraneh bezweifelte, dass es ein weiteres Leben für sie gab.
    Ein kaum wahrnehmbares Summen ertönte. Das-Visorkom meldete eine eingegangene Nachricht. Das war also der Grund für ihr plötzliches Erwachen, denn Alwa hatte das Gerät auf Intervallmeldung geschaltet, die in gewissen Zeitabständen ansprach. Sie machte keine Anstalten, sich die Nachricht sofort Vorspielen zu lassen. Das konnte warten, denn vor ihrem inneren Auge lief noch einmal der Traum ab, über den Moment der schreienden Mutter hinaus.
    Alwa sah sie ganz deutlich vor sich. Und doch auch wieder nicht, denn die Gesichter der drei alten Weiber hatte sie noch nie wirklich erkennen können. Sie schienen einer ständigen Veränderung unterworfen zu sein, zerflossen und setzten sich im nächsten Moment neu zusammen. Wieder standen sie um das Lager herum, auf dem Alwa geboren wurde.
    Doch jetzt lag nicht ihre Mutter Rina dort, sondern Alwa selbst. Ein Baby noch - vielleicht ein Jahr alt, sabbernd und brabbelnd, gerade einmal in der Lage, sich taumelnd auf den noch speckigen Beinen fortzubewegen.
    Die drei Weiber blieben stumm, schienen auf etwas zu warten. Dann trat Rina in den Raum, weinte und presste die linke Hand auf eine blutende Wunde in ihrem Gesicht. Die kleine Alwa konnte nicht einschätzen, warum die Mutter so verzweifelt war. Doch sie sah den Mann, der Rina folgte, sie bei den Schultern fasste und dann heftig schlug.
    Alwa weinte und schrie. Er sollte die Mutter nicht prügeln!
    Sein Gesicht glich dem der drei Alten, doch Alwa wusste genau, wer er war, auch wenn er nur selten bei Rina und ihr daheim war.
    Seine Stimme war tief und dröhnend. »Sieh hin, was du geboren hast! Sieh hin, Hure!« Mit beiden Händen riss er Rinas Kopf in Richtung des Lagers. »Sieh das Monster an. Schau in ihr Gesicht! Du hast meinen Samen verdorben!«
    Heftig stieß er Rina von sich, die gegen die Wand taumelte und zu Boden sank. Plötzlich war das rote Muster an der Wand, genau dort, wo Rina aufgeschlagen war. Der kleinen Alwa gefiel das Muster, es sah lustig aus.
    Doch ihre Mutter regte sich nicht mehr. Nie mehr…
    Die drei alten Weiber warfen klagend ihre Arme in die Höhe.
    ***
    Das Summen erklang erneut.
    »Licht.«
    Die Sprachsteuerung reagierte einwandfrei auf Alwas Stimme, mochte die auch noch so sanft und kaum vernehmbar sein. Angenehme Helligkeit erfüllte nun den spartanisch eingerichteten Raum. Luxus war Alwa fremd, passte nicht zu ihrer Lebensweise.
    Der Traum…
    Immer endete er mit dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter und den klagenden Weibern. Klagend? Alwa war sich nie ganz sicher, ob es nicht eher eine Zustimmung dessen gewesen war, was damals in jenem Raum geschah.
    Sie hatte keinerlei Erinnerungen an die Zeit nach dem Mord. Ihr Langzeitgedächtnis setzte erst wieder an dem Zeitpunkt ein, als man sie in ein großes Gebäude brachte, das sie viele Jahre lang nicht mehr verlassen sollte. Da musste sie ungefähr sechs Jahre alt gewesen sein. In diesem Augenblick hatte ihr Leben im Grunde erst begonnen.
    »Nachricht abspielen«, sagte Alwa.
    Ein kurzes Summen war die Bestätigung, dass der Befehl angekommen war. Übergangslos ertönte eine Alwa gut vertraute Stimme. Befehlsgewohnt, laut und hart. Eine Bildübertragung fand nicht statt, doch das war auch nicht notwendig. Die ganze Nachricht war kaum drei Sekunden lang. »Alwa Taraneh, ich erwarte dich im Palast.«
    Alwa lächelte.
    Nazarena Nerukkar - die Frau, die sich erst kürzlich an die Spitze der DYNASTIE DER EWIGEN gesetzt hatte; die neue ERHABENE, die sich in unnachahmlicher Art gegen zwei Mitbewerber zur gleichen Zeit durchgesetzt hatte - rief nach ihrer »Geheimwaffe«. So hatte Nazarena Alwa mehrfach genannt.
    Viele
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