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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht
Autoren: Linda Howard
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Jungen die Treppe hinauf, so als müssten sie sich einem unaussprechlich grausigen Schicksal stellen. Cate sah kurz auf die Uhr, um festzustellen, wann Tucker seine Zeit abgesessen hätte.
    Sherry war in die Küche zurückgekommen und schaute Cate halb mitfühlend und halb amüsiert zu. »Bleibt Tucker wirklich auf seinem Stuhl, bis du nach oben gehst?«
    »Ich glaube schon. Wir mussten die Zeit auf dem Auszeitstuhl ein paarmal verlängern, bis er das Prinzip kapiert hatte. Tanner war noch sturer.« Das war die Untertreibung des Jahres, dachte sie in Erinnerung an die Kämpfe, die es gekostet hatte, ihm das Bocken auszutreiben. Tanner redete nur wenig, aber er war die Sturheit in Person. Beide Knaben waren lebhaft, eigensinnig und absolut genial, wenn es darum ging, auf eine neue, noch nie da gewesene Weise in Schwierigkeiten zu geraten - oder gar in Gefahr. Einst hatte sie der Gedanke, den beiden auch nur einen Klaps zu versetzen, zutiefst schockiert, aber seit die beiden zwei Jahre alt geworden waren, hatte sie ihre Erziehungsideale gründlich revidiert. Sie hatte die beiden noch nie wirklich gezüchtigt, aber ihr Ideal, sie ohne einen einzigen Klaps durch die Kindheit zu bringen, hatte sie inzwischen aufgegeben. Bei dem Gedanken war ihr immer noch nicht ganz wohl, aber sie musste ihre Kinder allein großziehen und aufpassen, dass ihnen nichts zustieß, während sie die beiden gleichzeitig zu verantwortungsvollen Menschen formte. Wenn sie nicht in Panik geraten wollte, durfte sie nicht allzu lange über diese Aufgabe nachdenken, genauso wenig wie über die vielen Jahre, die noch vor ihr lagen. Derek war nicht mehr da. Sie musste es allein schaffen.
    Mr Harris krabbelte rückwärts aus dem Schrank und sah zu ihr auf, als wollte er abschätzen, ob er sie gefahrlos ansprechen konnte. Nachdem er offenbar zu dem Schluss gekommen war, dass die Gefahr gebannt war, räusperte er sich. »Ahm ... das Leck ist kein Problem. Das war nur eine lose Mutter.« Während er das sagte, stieg ihm allmählich das Blut ins Gesicht, und er senkte den Blick auf die Rohrzange in seiner Hand.
    Sie musste unwillkürlich lächeln. Die Schüchternheit wirkte irgendwie niedlich bei dem großen Mann. Dann atmete sie erleichtert aus und ging zur Tür. »Gott sei Dank. Ich hole nur kurz mein Portemonnaie, damit ich Sie bezahlen kann.«
    »Braucht’s nicht«, murmelte er. »Ich musste sie nur wieder festziehen.«
    Überrascht blieb sie stehen. »Aber Sie haben Ihre Zeit geopfert und ...«
    »Das hat nicht mal eine Minute gedauert.«
    »Ein Anwalt würde für diese Minute eine volle Stunde berechnen«, bemerkte Sherry eigenartig fröhlich.
    Mr Harris murmelte etwas vor sich hin, das Cate nicht mitbekam, im Gegensatz zu Sherry, die breit zu grinsen begann. Cate fragte sich, was wohl so komisch war, hatte aber keine Zeit, das Thema zu vertiefen. »Darf ich Ihnen wenigstens eine Tasse Kaffee spendieren?«
    Er sagte etwas, das wie »Danke« klang, aber auch »Nein danke« sein konnte. Weil sie annahm, dass er Ersteres gemeint hatte, eilte sie in den Speiseraum, schenkte einen großen Styroporbecher mit Kaffee voll und setzte den Plastikdeckel darauf. Zwei weitere Gäste wollten ihre Rechnungen bezahlen; den einen kannte sie, den anderen nicht, doch das war während der Jagdsaison nicht ungewöhnlich. Sie kassierte ab, ließ den Blick einmal über die verbliebenen Gäste schweifen, die alle versorgt schienen, und trug den Kaffee in die Küche.
    Mr Harris kauerte vor seiner Werkzeugkiste und brachte sie wieder in Ordnung. Cate errötete verlegen. »Bitte entschuldigen Sie. Ich habe ihnen gesagt, dass sie nicht an Ihr Werkzeug dürfen, aber ...« Sie zog frustriert eine Schulter hoch und reichte ihm dann den Kaffee.
    »Macht gar nichts.« Er nahm den Kaffee entgegen und legte die rissigen, ölfleckigen Finger um das Styropor. Seine langen, kräftigen Hände hielten die Tasse fest umfasst. Dann senkte er wieder den Kopf. »Ich bin gern mit ihnen zusammen.«
    »Und sie mit Ihnen.« Sie lächelte spröde. »Ich muss jetzt hoch und nach ihnen sehen. Nochmals vielen Dank, Mr Harris.«
    »Die fünfzehn Minuten sind noch nicht um«, wandte Sherry mit einem Blick auf die Uhr ein.
    Cate grinste. »Ich weiß. Aber sie können die Uhr noch nicht lesen, da machen ein paar Minuten keinen Unterschied. Könntest du kurz auf die Kasse aufpassen? Im Speiseraum scheint alles in Ordnung zu sein, niemand brauchte frischen Kaffee; du brauchst also nichts weiter zu tun, bis
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