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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht
Autoren: Linda Howard
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verbrachte sie die Abende lieber allein mit ihren Kindern.
    Andererseits war Mr Harris zwar ganz ansehnlich und nett, aber gleichzeitig so verschlossen, dass sie sich leicht vorstellen konnte, wie er nach dem Abendessen unter einem leisen Murmeln in sein Zimmer verschwand, um vor dem nächsten Morgen nicht wieder aufzutauchen. Aber wenn sie sich irrte? Wenn die Jungs lieber mit ihm zusammen wären als mit ihr? Schließlich schienen sie Mr Harris zu lieben. Dass sie sich darüber den Kopf zerbrach, gab ihr das Gefühl, kleinlich und geizig zu sein, wenn es andererseits wirklich so kommen sollte? Die Kinder standen im Zentrum ihres Lebens, und sie wusste nicht, ob sie das jetzt schon aufgeben konnte. Irgendwann würde sie es müssen, aber die beiden waren erst vier und alles, was Derek ihr hinterlassen hatte.
    »Und?«, hakte Sherry nach, die mit hochgezogenen Brauen auf die gute - oder schlechte - Nachricht wartete.
    »Er kommt gleich.«
    »Du hast ihn also noch erwischt, bevor er woanders anfangen konnte.« Sherry wirkte so erleichtert, wie Cate sich fühlte.
    Cate sah die Jungen an, die beide still dasaßen und sie mit erhobenen Löffeln beobachteten. »Ihr zwei müsst aufessen, sonst könnt ihr Mr Harris nicht zuschauen«, sagte sie streng. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, da Mr Harris hier in der Küche arbeiten würde, aber sie waren erst vier; was wussten sie schon?
    »Wir sind auch ganz wuhig«, versprach Tucker, und beide nahmen das Essen mit mehr Energie als Präzision wieder auf.
    »Ruhig«, betonte Cate das R.
    »Ruhig«, wiederholte Tucker gehorsam. Er konnte das R sprechen, wenn er wollte, aber wenn er abgelenkt war, wie meistens, verflachte es zu einem W. Er redete so viel; man könnte fast meinen, dass er keine Zeit hatte, die Worte richtig auszusprechen. »Mister Hawwis kommt gleich«, erklärte er Tanner, als hätte sein Bruder das nicht mitbekommen. »Ich will mit dem Bohwa spielen.«
    »Bohrer«, berichtigte Cate. »Und das wirst du nicht. Ihr dürft zuschauen, aber ihr lasst die Finger von den Werkzeugen. «
    Seine großen blauen Augen füllten sich mit Tränen, und seine Unterlippe bebte. »Mista Hawwis sagt aber, wir düahfen damit spielen.«
    »Das dürft ihr, aber nur wenn er Zeit hat. Heute hat er es bestimmt eilig, weil er noch woanders hin muss, wenn er hier fertig ist.«
    Als Cate die Pension eröffnet hatte, hatte sie die Zwillinge davon abzuhalten versucht, den Handwerker zu belästigen; da sie damals erst ein Jahr alt gewesen waren, hätte ihr das ein Leichtes sein müssen, aber schon damals hatten sie ein bemerkenswertes Geschick im Entwischen gezeigt. Sobald sie ihnen den Rücken zudrehte, zog es die Buben zu Cal Harris hin wie Eisen an einen Magneten. Wie kleine Äffchen hatten sie in seiner Werkzeugkiste herumgekramt und waren mit allem, was sie in die Finger bekommen konnten, weggerannt. Cate hatte genau gewusst, dass sie seine Geduld ebenso strapazierten wie ihre, aber er hatte nie etwas gesagt, wofür sie ihm zutiefst dankbar war. Obwohl sie sein Schweigen nicht wirklich überrascht hatte; er sprach sowieso praktisch nie.
    Inzwischen waren die Buben älter, aber die Werkzeuge faszinierten sie wie eh und je. Der einzige Unterschied war, dass sie jetzt darauf bestanden, ihm zu »helfen«.
    »Die stören mich nicht«, murmelte Mr Harris jedes Mal, wenn sie die beiden erwischte, wobei er errötend den dunkelblonden Schopf senkte. Er war erstaunlich schüchtern, sah ihr kaum je in die Augen und sprach wirklich nur, wenn es sein musste. Na schön, mit den Jungs sprach er sehr wohl. Vielleicht fühlte er sich in der Gesellschaft der Zwillinge entspannter, weil sie so klein waren, jedenfalls hatte sie gehört, wie sich seine Stimme mit dem hohen, aufgeregten Geplapper der Knaben mischte, so als führten die drei ein richtiges Gespräch.
    Sie schaute aus der Küchentür und sah, dass drei Gäste an der Kasse anstanden. »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie und ging kassieren. Eigentlich wollte sie keine Kasse im Speiseraum einrichten, aber der Frühstücksbetrieb machte das notwendig, darum hatte sie direkt neben dem Ausgang eine kleine Registrierkasse aufgestellt. Zwei der Gäste waren Joshua Creed und sein Jagdgast, und das bedeutete, dass es jetzt im Frühstücksraum bald leer würde.
    »Cate.« Mr Creed neigte den Kopf. Er war groß und breitschultrig, zeigte an den Schläfen das erste Silber, und sein Gesicht war von den Elementen gezeichnet. Seine nussbraunen Augen waren
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