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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht
Autoren: Linda Howard
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Conrad, der sich im Komplimentemachen keinesfalls von Gordon übertrumpfen lassen wollte.
    »Danke«, sagte sie und eilte davon, weil sie Conrad keine Gelegenheit geben wollte, noch mehr zu sagen. Er war ein netter Mann, aber er war etwa so alt wie ihr Vater, und sie hätte ihn auch nicht erhört, wenn sie nicht viel zu beschäftigt gewesen wäre, um an ein Date auch nur zu denken.
    Als sie bei der Kaffeemaschine vorbeikam, prüfte sie automatisch den Pegel in beiden Kannen und blieb kurz stehen, um frischen Kaffee aufzusetzen. Der Speiseraum war noch gut besetzt, und heute würden die Gäste nicht so schnell gehen wie gewöhnlich. Joshua Creed, der Jagdführer, saß mit einem seiner Jagdgäste zusammen; wenn Mr Creed hier war, blieben die anderen Gäste immer ein bisschen länger, um ein wenig mit ihm zu plaudern. Er hatte etwas von einem Anführer und strahlte eine Autorität aus, auf die andere unwillkürlich reagierten. Sie hatte gehört, dass er beim Militär gewesen war, und glaubte das nur zu gern; von seinem scharfen, schmaläugigen Blick bis zu dem kantigen Kinn und ebensolchen Schultern umgab ihn die Aura eines Befehlshabers. Er kam nicht oft, aber wenn, dann stand er im Mittelpunkt respektvoller Aufmerksamkeit.
    Sein Jagdgast, ein gut aussehender dunkelhaariger Mann, den sie auf Ende dreißig schätzte, gehörte jener Gattung von Auswärtigen an, die ihr am wenigsten lagen. Ganz offensichtlich war er wohlhabend, sonst hätte er sich Joshua Creed nicht leisten können, und obwohl er wie die meisten anderen im Raum in Jeans und Stiefeln gekommen war, gab er doch auf subtile und weniger subtile Weise zu erkennen, dass er trotz seiner aufgesetzten Kameradschaftlichkeit jemand wirklich Wichtiges war. Zum einen hatte er die Ärmel hochgekrempelt und ließ immer wieder seine flache, diamantenbesetzte Armbanduhr aufblitzen. Davon abgesehen war er einen Tick zu laut, zu jovial und erzählte fortwährend von seinen Erlebnissen auf einer Jagdsafari in Afrika. Er hielt sogar eine öffentliche Nachhilfestunde in Geographie, indem er ungefragt erklärte, wo Nairobi lag. Cate hätte am liebsten heimlich die Augen verdreht, weil er einheimisch mit blöd gleichzusetzen schien. Wunderlich vielleicht, aber definitiv nicht blöd.
    Außerdem betonte er, dass er die Wildtiere vor allem jagte, um sie zu fotografieren, und obwohl Cate das emotional guthieß, flüsterte ihr eine boshafte Stimme ein, dass er das nur behauptete, um sich herausreden zu können, falls er nichts erlegte. Es hätte sie überrascht, wenn er wirklich etwas vom Fotografieren verstanden hätte.
    Während sie in die Küche eilte, rätselte sie, wann sie eigentlich angefangen hatte, Neuankömmlinge als »Auswärtige« zu betrachten.
    Die Trennlinie zwischen ihrem früheren und ihrem jetzigen Leben war so scharf, dass sie manchmal das Gefühl hatte, ein vollkommen anderer Mensch zu sein als früher. Es hatte sich kein langsamer Wandel vollzogen, der ihr Zeit gegeben hätte, alles zu analysieren, zu verarbeiten und darüber zu der Frau heranzuwachsen, die sie jetzt war; stattdessen hatte es abrupte Brüche und plötzliche Umwälzungen gegeben. Der Zeitraum zwischen Dereks Tod und ihrem Entschluss, nach Idaho zu ziehen, war ein tiefes, enges Tal, in das kein Sonnenstrahl gedrungen war. Nachdem sie und die Jungen hier angekommen waren, war sie so damit beschäftigt gewesen, die Pension zu eröffnen und sich hier zu etablieren, dass sie kaum Zeit gehabt hatte, darüber nachzugrübeln, ob man sie als Fremde betrachtete. Inzwischen war sie, ohne dass sie sich besonders darum bemüht hätte, genauso tief und innig in der kleinen Gemeinschaft verwurzelt, wie sie es früher in Seattle war; sogar noch mehr, weil Seattle wie jede Großstadt voller Fremder war und sich jeder in seiner eigenen kleinen Blase bewegte. Hier kannte sie wirklich jeden.
    Gerade als sie die Küchentür erreicht hatte, öffnete sich diese, und Sherry Bishop streckte das Gesicht heraus, auf dem sich schlagartig Erleichterung abzeichnete, als sie Cate kommen sah.
    »Was ist denn?«, fragte Cate, während sie in die Küche eilte. Ihr erster Blick galt dem Küchentisch, an dem ihre vierjährigen Zwillinge Tucker und Tanner Cornflakes in sich hineinschaufelten. Sie plapperten, kicherten und zappelten wie immer; in ihrer Welt war alles zum Besten bestellt. Genauer gesagt plapperte Tucker, und Tanner hörte zu. Sie machte sich manchmal Sorgen, weil Tanner so wenig sprach, doch der Kinderarzt hatte
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