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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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der Tür. Dann gingen sie Holz sammeln.
    Wir brauchen totes Holz, sagte Roys Vater. Und es wird nichts Trockenes dabei sein, also sammeln wir vielleicht am besten ein bisschen für drinnen, und dann sollten wir an der hinteren Hauswand was bauen.
    Sie hatten zwar Werkzeug mitgenommen, aber für Roys Ohren klang es, als würde seinem Vater das ein oder andere erst allmählich klar. Die Vorstellung, dass sein Vater nicht schon im Voraus an Trockenholz gedacht hatte, machte Roy Angst.
    Sie trugen ein knotiges Bündel Zweige hinein und schichteten sie beim Ofen auf, dann gingen sie ums Haus herum und entdeckten einen kastenförmigen Wandvorsprung, der tatsächlich für Brennholz gedacht war.
    Na, sagte Roys Vater, das habe ich ja gar nicht gewusst. Aber das ist gut. Allerdings brauchen wir mehr. Das hier reicht bloß für einen Sommerausflug oder ein Jagdwochenende. Wir brauchen etwas über die ganze Wand. Und Roy dachte an Bretter, an Bauholz, an Nägel. Er hatte kein Bauholz gesehen.
    Wir brauchen Schindeln, sagte sein Vater. Sie standen nebeneinander, beide mit verschränkten Armen, und starrten die Wand an. Mücken summten um sie herum. Es war kalt hier im Schatten trotz der hoch stehenden Sonne. Sie hätten ebenso gut darüber sprechen können, dass Roy in irgendeiner Klemme steckte, so abgeschnitten waren sie von den Dingen, die sie sahen.
    Wir können Pfosten oder kleine Baumstämme oder so zum Abstützen verwenden, sagte sein Vater. Aber wir brauchen irgendein Dach, und es muss ziemlich breit sein, falls der Regen oder der Schnee seitwärts reinbläst.
    Es schien unmöglich. Alles schien Roy unmöglich, und sie schienen so schrecklich unvorbereitet. Irgendwelche alten Bretter hier?, fragte er.
    Keine Ahnung, sagte sein Vater. Sieh dich doch mal beim Plumpsklo um, und ich gucke hier weiter.
    Roy fand, dass sie jetzt irgendwie ebenbürtig waren. Keiner wusste, was zu tun war, und beide mussten es erst herausfinden. Auf seinem kurzen Weg zum Plumpsklo sah er bereits, wie die Pflanzen von ihnen heruntergetrampelt wurden. Sie würden überall Schneisen schlagen, wo auch immer sie hingingen. Er lief ums Plumpsklo herum und stieg auf ein überwuchertes kleines Brett. Er zog es heraus, kratzte Erde, Gras und Käfer ab und sah, dass es verfault war. Er brach es mit den Händen auseinander. Im Plumpsklo war eine Rolle Klopapier mit Wasserflecken an den Rändern und ein an die Holzbank genagelter Sitz und ein Geruch, der anders war als in den fahrbaren Toiletten, weil es nicht nach Chemie oder erhitztem Plastik roch. Es roch nach alter Scheiße und altem Holz und Schimmel und altem Urin und Rauch. Es war schmierig und feucht und hatte Spinnweben in den Ecken. Er sah zwei Holzplanken von gut einem halben bis einem Meter Länge hinter dem Klo, wollte sie aber nicht rausholen, weil er in dem Dämmerlicht nicht richtig sehen konnte und nicht wusste, wozu sie da waren und ob Schwarze Witwen auf ihnen hockten. Eine der Töchter der Nachbarn seines Vaters in Fairbanks war von einer ganzen Familie Schwarzer Witwen gebissen worden, als sie auf dem Dachboden ihren Fuß in einen alten Schuh gesteckt hatte. Sie hatten sie alle gebissen, sechs oder sieben Stück, aber sie war nicht gestorben. Sie war über einen Monat lang krank gewesen. Aber vielleicht war das auch bloß eine Geschichte. Jedenfalls musste Roy da schleunigst weg. Er sprang schnell zurück, ließ die Tür zuknallen und wischte sich auf dem Rückweg die Hände an den Hosenbeinen ab.
    Irgendwas gefunden da oben?, rief sein Vater.
    Nein, antwortete er und wandte sich zur Hütte. Bloß zwei kleine Bretter vielleicht, aber ich weiß nicht, wofür die da sind.
    Wie ist das Plumpsklo? Sein Vater schmunzelte, als Roy zu ihm kam. Ein Grund zur Vorfreude? Das Highlight?
    Von wegen. Ganz schön gruselig da drin.
    Wart’s ab, bis dein Hintern überm Abgrund hängt.
    Gott, sagte Roy.
    Ich habe ein paar Bretter unter der Hütte gefunden, sagte sein Vater. Nicht tipptopp, aber brauchbar. Sieht immer noch so aus, als müssten wir ein paar Bretter anfertigen. Schon mal gemacht, so was?
    Nein.
    Hab gehört, dass das geht.
    Toll. Sein Vater grinste.
    Die erste Privatlektion, sagte sein Vater. Wie bastel ich mir ein Brett.
    Sie sägten zurecht, was sie hatten, und suchten im Wald nach Stützen und einem Stamm oder einem Baum, der so groß und frisch war, dass sie Bretter daraus machen konnten. Es war dämmerig im Wald und sehr still, von einzelnen Tropfen abgesehen, ihren Tritten und ihrem
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