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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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ich’s versucht.
    Da war ich noch nie, sagte Roy.
    Na ja, wie gesagt, da hat man seinen Lachs und Frischbären und eine ganze Menge, was andere Leute nie haben werden, dafür hat man dann zum Beispiel keine anderen Leute.
    Roy antwortete nicht.
    Ist nur ein bisschen merkwürdig. Die wenigsten nehmen ihre Kinder mit. Und die meisten nehmen Essen mit.
    Sie hatten Essen mitgenommen, jedenfalls für die erstenein, zwei Wochen, und die Grundnahrungsmittel, auf die sie nicht verzichten wollten: Mehl und Bohnen, Salz und Zucker, braunen Zucker zum Räuchern. Ein paar Dosenfrüchte. Aber in der Hauptsache würden sie sich von dem ernähren, was die Insel für sie bereithielt. So war es geplant. Sie würden frischen Lachs essen, Saibling, Muscheln, Krabben und was immer sie jagten: Hirsche, Bären, Schafe, Ziegen, Elche. Sie hatten zwei Gewehre dabei, eine Schrotflinte und eine Pistole.
    Wird schon, sagte der Pilot.
    Klar, sagte Roy.
    Und ich komme ab und an nach euch sehen.
    Als Roys Vater zurückkehrte, grinste er und versuchte, nicht zu grinsen, und er sah Roy nicht an, während sie das Funkgerät in eine wasserdichte Kiste packten, die Waffen in wasserdichte Boxen, die Angelausrüstung, die Werkzeuge und die ersten Dosen in Behälter. Dann hieß es wieder dem Piloten zuhören, als sein Vater davonkurvte und dabei im Wasser eine kleine Furche zog, die hinter dem Spiegel weiß war, dann aber in schwarzen Rillen auslief, als könnten sie beide nur diesen kleinen Fleck aufwühlen, als würde sich dieser Ort an den Rändern gleich wieder selbst verschlucken. Das Wasser war sehr klar, aber schon hier so tief, dass Roy nicht bis auf den Grund sehen konnte. Dichter am Ufer allerdings, am Rande der Spiegelung, erkannte er die glasigen Umrisse von Wald und Fels.
    Sein Vater trug ein rotes Holzfällerhemd und eine graue Hose. Einen Hut trug er nicht, obwohl die Luft kühler war, als Roy gedacht hätte. Die Sonne schien seinem Vater auf den Kopf und glänzte selbst von Ferne in seinem schütteren Haar. Sein Vater kniff im grellen Morgenlicht die Augen zusammen, aber mit einem Mundwinkel grinste er noch immer.Roy wollte mit, wollte an Land zu ihrem neuen Zuhause, aber es würde noch zwei Fahrten brauchen, bis er einsteigen konnte. Sie hatten Kleiderpakete in Müllbeuteln und Regenzeug und Stiefel, Decken, zwei Lampen, noch mehr Essen und Bücher. Roy hatte eine Kiste mit Büchern nur für die Schule. Ein Jahr Privatunterricht: Mathematik, Literatur, Erdkunde, Sozialkunde, Geschichte, Grammatik und Naturwissenschaften für die achte Klasse, wobei er nicht wusste, wie sie das anstellen sollten, weil dazu Experimente gehörten, für die sie überhaupt nicht ausgerüstet waren. Seine Mutter hatte seinen Vater darauf angesprochen, und sein Vater hatte nicht eindeutig geantwortet. Auf einmal vermisste Roy seine Mutter und seine Schwester, und ihm stiegen Tränen in die Augen, doch als er sah, wie sein Vater das Boot vom Kiesstrand abstieß und zu ihnen zurückkam, riss er sich zusammen.
    Als er endlich ins Boot stieg und den Schwimmer losließ, lag es nackt vor ihm: Nichts hatten sie jetzt, und als das Flugzeug hinter ihnen kreiselte, dann röhrte und wassersprühend abhob, bekam er ein Gefühl dafür, wie lang die Zeit sein mochte, als könnte sie aus Luft gemacht sein, sich verdichten und selbst anhalten.
    Willkommen in deinem neuen Zuhause, sagte sein Vater und legte Roy die Hand auf den Kopf, dann auf die Schulter.
    Als das Flugzeug außer Hörweite war, setzten sie auf dem steinigen dunklen Strand auf, und Roys Vater stieg in seinen Hüftstiefeln ins Wasser und zog am Bug. Roy griff nach einer Kiste.
    Lass erst mal, sagte sein Vater. Wir machen nur fest und sehen uns um.
    In die Kisten kommt nichts rein?
    Nein. Komm her.
    Sie liefen durch wadenhohes Gras, sattgrün in der Sonne, und einen Pfad hinauf durch ein Zedernwäldchen zur Hütte. Sie war grau und verwittert, aber nicht sonderlich alt. Das Dach lief spitz zu, damit der Schnee nicht liegenblieb, und die Hütte stand mitsamt der Veranda knapp zwei Meter erhöht über dem Boden. Es gab nur eine schmale Tür und zwei kleine Fenster. Roy betrachtete das hinausragende Ofenrohr und hoffte, dass es dazu auch einen Ofen gab.
    Sein Vater ging nicht mit ihm in die Hütte, sondern um sie herum über einen Trampelpfad, der weiter hügelauf verlief.
    Das Plumpsklo, sagte er.
    Es war so groß wie ein Schrank und höher gesetzt, mit Stufen. Zwar war es kaum dreißig Meter von der Hütte
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