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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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würde nie zu viel zu tun haben oder rechtzeitig zur Schule aufstehen müssen. Und würde niemanden sehen außer seinem Vater.
    Sie aßen ihr Chili auf der Veranda und ließen die bestiefelten Beine baumeln. Die Veranda hatte kein Geländer. Sie betrachteten die ruhige Bucht und den ein oder anderen springenden Saibling. Lachse sprangen keine, aber das würde noch kommen in diesem Sommer.
    Wann ist noch mal Lachs-Saison?
    Juli und August hauptsächlich, kommt auf die Art an. Die erste Rosa-Wanderung kriegen wir vielleicht im Juni.
    Nach dem Essen blieben sie schweigend sitzen. Die Sonne ging nicht unter, sondern stand noch lange tief am Horizont. Ein paar kleine Vögel zeigten sich kurz vor dem Gebüsch, dann kam ein Weißkopfseeadler hinter ihnen angeflogen, die Sonne golden auf seinem weißen Kopf, die Federn kreidebraun. Er flog zum Ende der Landspitze und landete in einer Fichtenkrone.
    So was sieht man nicht überall, sagte sein Vater.
    Nein.
    Schließlich tauchte die Sonne ab, und sie gingen hinein, um ihre Schlafsäcke auf dem Boden des Hauptraums auf Isomatten auszubreiten. Roy sah Rot im Himmel vor dem schmalen Fenster, als sein Vater und er sich im Dunkeln auszogen.Dann lagen sie in ihren Schlafsäcken und schliefen nicht. Die Zimmerdecke wölbte sich über Roy, der Boden unter ihm wurde härter, und die Gedanken kreisten, bis er eindämmerte und wieder zu sich kam, als er merkte, dass sein Vater leise weinte, ein Geräusch verschluckt und verborgen. Das Zimmer so klein, und Roy wusste nicht, ob er so tun konnte, als hörte er nichts, aber er tat trotzdem so und lag wach, eine weitere Stunde, so schien es, und sein Vater hörte noch immer nicht auf. Irgendwann aber wurde Roy zu müde. Er hörte seinen Vater nicht mehr und schlief ein.
    Am Morgen machte sein Vater Pfannkuchen und sang leise »King of the Road«. Er hörte, wie Roy aufwachte, und sah lächelnd zu ihm herunter. Er hob die Augenbrauen. Pfannkuchen und Pilzrahmsuppe?, fragte er.
    Gern, sagte Roy. Das klingt gut. Es war, als würden sie zelten.
    Sein Vater reichte ihm einen großen Teller mit Pfannkuchen und Pilzrahmsuppe obendrauf und eine Gabel, und Roy setzte ihn kurz ab, um Jeans, Stiefel und Jacke anzuziehen, dann gingen sie zum Essen auf die Veranda.
    Es war später Vormittag, eine Brise zog bereits von der Bucht auf und blies kleine Wellen durchs Wasser. Die Oberfläche war undurchsichtig.
    Hast du gut geschlafen?, fragte sein Vater.
    Roy sah ihn nicht an. Sein Vater schien ihn zu fragen, ob er ihn hatte weinen hören, aber sein Vater hatte die Frage gestellt, als wäre sie völlig normal. Und Roy hatte so getan, als würde er schlafen, also antwortete er, Ja, ich habe gut geschlafen.
    Die erste Nacht in unserem neuen Zuhause, sagte sein Vater.
    Ja.
    Vermisst du deine Mutter und Tracy?
    Ja.
    Na, das wird wohl eine Weile dauern, bis wir uns hier eingerichtet haben.
    Roy glaubte nicht, sich so weit einrichten zu können, dass er seine Mutter und seine Schwester nicht mehr vermisste. Und sie würden hier hin und wieder wegkommen. Auch das hatte sein Vater versprochen. Sie würden die beiden alle zwei, drei Monate besuchen, an Weihnachten zwei Wochen lang. Und dann gab es noch den Amateurfunk. Damit konnten sie, wenn nötig, Nachrichten senden und empfangen.
    Eine Weile aßen sie schweigend. Die Pfannkuchen waren ein bisschen angebrannt, und einer war innen teigig, weil er zu dick war, aber die Pilzrahmsuppe darauf war gut. Die Luft war kühl, aber die Sonne wurde stärker. Auf einer Veranda ohne Geländer zu sitzen, die Beine baumeln zu lassen, und kein Mensch weit und breit, das war wie Unsere kleine Farm oder so. Oder vielleicht eher ein Goldgräber-Abenteuer. Sie könnten in einem anderen Jahrhundert sein.
    Das gefällt mir, sagte Roy. So sonnig und warm will ich es das ganze Jahr haben.
    Sein Vater lächelte. Zwei, drei Monate auf jeden Fall. Aber du hast recht. Das ist das wahre Leben.
    Gehen wir bald angeln?
    Daran habe ich gerade gedacht. Wir sollten heute Abend anfangen, wenn wir den Unterstand für das Holz fertig haben. Und einen kleinen Räucherofen bauen wir da hinten auch noch.
    Sie stellten das Geschirr in die kleine Spüle, und dann ging Roy zum Plumpsklo. Er hielt mit einem Fuß die Tür auf und untersuchte um den Sitz herum alles, so gut es ging, doch irgendwann musste er ihn einfach benutzen und darauf vertrauen, dass ihm nichts weggebissen würde.
    Als er zurückkam, schnappte sein Vater sich Axt und Säge, und sie machten
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