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0655 - Der Tod in Moskau

0655 - Der Tod in Moskau

Titel: 0655 - Der Tod in Moskau
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Nadja Karelina hörte den Schrei.
    Er kam von oben! Unwillkürlich sah Nadja an der Hotelfassade hinauf. Ein Mann stürzte aus dem Fenster! In einer Hand hielt er eine Pistole. Noch während er fiel, begann er zu schießen. Drei, vier Schüsse jagte er aus der Waffe, dann prallte er nur wenige Meter von Nadja entfernt auf den Boden.
    Jetzt war sie es, die aufschrie.
    Es war ein entsetzlicher Anblick, wie vor ihr der Körper dieses schießenden Mannes aufschlug, und sie hoffte, daß sie es nur träumte. Und dann sah sie den Fassadenkletterer hoch oben an der Wand, direkt an dem erleuchteten Fenster, aus dem der Mann gestürzt war.
    Wie kam er dorthin? Wie konnte er sich festhalten? Es war ein modernes Gebäude mit glatter Fassade. Es gab keine Vorsprünge, Simse und Sockel, die ihm Halt bieten konnten.
    Er schien einfach frei in der Luft zu schweben…
    Dann drehte er sich leicht, und Nadja sah sein Gesicht -Nein. Das war kein Gesicht.
    Das war ein grinsender Totenschädel.
    Und vor ihr begann der Mann, der abgestürzt war, sich zu bewegen und stöhnte schmerzerfüllt auf.
    Er lebte - noch…
    ***
    »Der Mann hieß Wassili Fedoroff«, sagte Polizeikommissar Ratekin. »Er gehörte zu einer dieser vielen Mafia-Gruppierungen. Kein unbeschriebenes Blatt. Bisher konnten wir ihm leider nie etwas Konkretes nachweisen. Glaube niemand, daß ich diesem Schweinehund auch nur eine einzige Träne nachweine. Wer auch immer ihn umgebracht hat, hat der Menschheit damit einen guten Dienst erwiesen.«
    »Mit solchen Äußerungen sollten Sie vorsichtig sein, Kommissar«, sagte ein anderer, dunkel gekleideter Mann. »Immerhin sind Sie Polizist.«
    »Manchmal bedaure ich das«, konterte Ratekin.
    »Sie können ja bei uns anfangen.« Der Dunkle zeigte die Spur eines Lächelns.
    »Das würde ich vielleicht noch mehr bedauern«, gab Ratekin zurück. »Weshalb sind Sie überhaupt hier? Ich kann mich nicht erinnern, jemanden Ihrer Zunft hergebeten zu haben.«
    Der Dunkle zuckte mit den Schultern.
    »Wir waren am Ball«, sagte er. »Fedoroff stand auf unserer Liste. Er war unseren Informationen zufolge im Begriff, mit einem ausländischen Geheimdienst einen illegalen Plutonium-Handel abzuschließen. Und solche Geschäfte«, er grinste spöttisch, »schließen wir lieber selbst ab, statt sie der Mafia zu überlassen. - Nein, vergessen Sie das«, setzte er hinzu. »Es war ein kleiner Scherz am Rande.«
    Ratekin war sich nicht sicher, ob der Dunkle wirklich nur gescherzt hatte.
    Er ging zu dem Toten hinüber, den man bereits in einen Plastiksack gesteckt hatte, um ihn darin in einen Zinksarg zu legen. Ratekin zog den Reißverschluß wieder auf und betrachtete den Mann.
    Der sah nicht gerade so aus, wie man sich einen Plutonium-Dealer der Mafia vorstellte. Kein dunkler Anzug, keine Sonnenbrille, kein glattrasiertes Kinn - statt dessen Bartstoppeln, ein fleckiges, durchgeschwitztes T-Shirt und eine Cordhose, die ihre besten Tage auch schon lange hinter sich hatte. So ein Mann in einem Nobelhotel mitten in Moskau… Aber auch hier galt längst nicht mehr der Spruch »Kleider machen Leute«, sondern »Geld regiert die Welt«.
    »Hat er noch etwas gesagt, ehe er starb?« fragte Ratekin.
    Er erhielt keine Antwort. Als er sich nach dem Dunkelgekleideten umsah, strebte der auf den Krankenwagen zu, in dem die junge Frau versorgt wurde; die einzige Zeugin des makabren Geschehens. Was sie gesagt hatte, kam Ratekin recht konfus vor.
    Jemand habe sich draußen an der Hauswand aufgehalten und den Mann aus dem Fenster gezerrt?
    Wie hätte das geschehen sollen? Sie mußte sich irren. Eher war er nach einem Zimmerkampf nach draußen gestoßen worden. Dazu paßte auch, daß er im Fallen noch geschossen hatte. Die Waffe war sichergestellt worden; eine Makarow-Pistole aus Armeebeständen.
    Näheres würde eine Untersuchung des Zimmers ergeben.
    Ratekin folgte dem Dunkelgekleideten. Aber noch ehe er ihn und den Krankenwagen erreichte, trat ihm der Geschäftsführer des Hotels in den Weg. Warum die Polizei nicht wesentlich diskreter vorgehe, warum der ganze Platz abgesperrt sei, warum Uniformierte überall im Wege herumständen, und was das doch für einen schlechten Eindruck auf die Gäste mache…
    »Wenn Sie sich Ihre Gäste besser aussuchten, brauchten wir hier nicht hier zu sein. Logieren öfters Angehörige der Mafia in Ihrem Haus?«
    »Mafia?« japste der Hotelier. »Was fällt Ihnen ein, uns so etwas zu unterstellen? Das hier ist ein anständiges Haus, das mit
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