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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen
Autoren: Ellis Peters
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und ihr könnt sie mit unserer Zustimmung nach Shrewsbury mitnehmen, wohin sie gehören, wenn wir die Omen richtig gedeutet haben.«
    Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Prior Robert errötete beglückt, aber auch ein wenig beschämt, während Cadfael seinen Blick nachdenklich über die lächelnden Gesichter und die arglosen Augenpaare wandern ließ. Niemand schien sich unbehaglich zu fühlen, niemand wisperte, niemand kicherte, nicht einmal hinter dem Rükken eines anderen. Cais unverhülltes Auge blickte in offener Bewunderung zu Prior Robert auf, Padrig strahlte vor Freude über die wunderbare Versöhnung.
    Sie wußten es schon! Entweder hatte Sioned eine diskrete Flüsterpropaganda in Umlauf gebracht, oder eine tiefverwurzelte Intuition hatte ihnen die Wahrheit verraten - jedenfalls wußten die Leute von Gwytherin Bescheid, nicht in allen Einzelheiten, aber im großen und ganzen. Und sie waren fest entschlossen, kein unpassendes Wort verlauten zu lassen, bis die Fremden verschwunden waren.
    »Nun, dann kommt!« rief Prior Robert hoch zufrieden. »Wir wollen Bruder Columbanus von seinen Vigilienpflichten entbinden und St. Winifred holen!« Er wandte sich um und ging mit majestätischen Schritten zur Kapellentür, während ihm die Menge auf den Friedhof folgte. Mit seiner schmalen weißen aristokratischen Hand stieß er die Tür auf und blieb auf der Schwelle stehen. »Bruder Columbanus, hier sind wir! Deine Nachtwache ist beendet!«
    Er machte zwei Schritte ins Innere der Kapelle, das seinen Augen nach dem hellen Sonnenlicht stockdunkel erschien, trotz des gleißenden Strahls, der durch das kleine Ostfenster hereinfiel. Allmählich konnte er die dunkelbraunen, nach Holz duftenden Wände erkennen, jede Einzelheit der Szenerie löste sich aus der Finsternis, wurde von Licht übergossen - und schließlich von einem so hellen, blendenden Licht, daß er ehrfürchtig innehielt.
    Ein betäubend süßes Aroma erfüllte die Luft, durch den Morgenwind, der durch die Tür hereinwehte, noch verstärkt. Die beiden Kerzen brannten auf dem Altar, zu beiden Seiten der kleinen Öllampe. Ein Betstuhl stand vor dem Reliquiar, aber niemand kniete darin. Weiße Blütenblätter bedeckten den Schrein und den Altartisch, als wären sie von einer wundersamen Brise von den Hagedornbüschen gepflückt und durch das kleine Fenster hereingetragen worden. Auch die Mönchskutte, die zerknittert auf dem Boden lag, war mit schneeweißen Blütenblättern bestreut.
    »Columbanus... Was hat das zu bedeuten? Er ist nicht hier!«
    Bruder Richard trat an die linke Seite des Priors, Bruder Jerome an die rechte. Bened und Cadwallon und die anderen drängten sich hinter den Mönchen in die Kapelle und stellten sich an die Wände, um auf das Wunder zu starren und den berauschenden Duft einzuatmen. Niemand wagte an Prior Robert vorbeizugehen, und schließlich näherte er sich dem leeren Betstuhl, um genauer zu inspizieren, was von Bruder Columbanus übriggeblieben war.
    Die schwarze Kutte lag dort, wo der junge Mönch gekniet hatte, die Ärmel waren zu beiden Seiten wie Flügel ausgebreitet, an den Ellbogen gebeugt, als hätten sich die Arme zum Gebet erhoben, bevor sie herausgeschlüpft waren. Und an der Kapuze schimmerte etwas Weißes.
    »Seht doch!« flüsterte Bruder Richard voller Ehrfurcht, »sein Hemd steckt in der Kutte - und hier - seine Sandalen!« Sie lugten unter dem Saum hervor, ordentlich nebeneinander, die Sohlen nach oben gewandt - genauso, wie die Füße sie verlassen hatten. Und auf der Armstütze des Betstuhls leuchtete ein Klumpen aus weißen Blüten. »Vater Prior, die Kleider - das Hemd, die Hose und die Kutte - stecken so ineinander, als würde er sie noch tragen - als wäre er daraus emporgehoben worden und hätte sie liegenlassen - wie eine Schlange, die ihre alte Haut abwirft, um sich in eine neue, schönere zu hüllen... «
    »Ein Wunder«, flüsterte Prior Robert. »Wie sollen wir das verstehen - ohne die Sünde des Hochmuts zu begehen?«
    »Vater, darf ich mir die Kleider ansehen? Vielleicht finden sich irgendwelche Spuren...«
    Bruder Cadfael war überzeugt, daß der Unterprior nichts dergleichen entdecken würde. Columbanus hatte nicht geblutet, seine Kutte war nicht zerrissen, nicht einmal beschmutzt, denn er war nur ins dichte weiche Frühlingsgras gefallen, das sich zwischen den toten Halmen des vergangenen Herbstes unaufhaltsam einen Weg gebahnt hatte.
    »Vater, es ist so, wie ich sagte. Anscheinend wurde er ganz sanft
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