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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen
Autoren: Ellis Peters
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aber echte Reumütige sind selten. Peredur hatte eine abscheuliche Tat begangen, war aber trotzdem ein sehr liebenswerter junger Mann geblieben. Cadfael hatte keine ernsthaften Bedenken, was Peredurs Zukunft betraf. Sicher würde der Junge seinen Weg finden, sobald er seine unglückliche Liebe zu Sioned überwunden hatte. Es gab noch andere Mädchen auf dieser Welt - nicht viele, die ihr ebenbürtig waren, aber so manche, die an sie heranreichten.
    Cadfael setzte sich bequem in seinem Sattel zurecht und schüttelte die Zügel, um dem Maultier zu bedeuten, daß es ihn führen sollte, wohin immer es wollte. Er döste, schlief aber nicht, nahm das Wechselspiel von Licht und Schatten unter den Bäumen wahr, die frische, kühle Luft, die Bewegungen unter seinem Körper - und er hatte das Gefühl, etwas vollendet zu haben, oder fast, denn dies war erst das Anfangsstadium der Heimreise.
    Als sie den Hang über dem Flußtal erreichten, öffnete er die Augen und richtete sich auf. Kein Ochsengespann durchpflügte den Acker, denn diese Arbeit war nun getan. Sein Blick wanderte über den Wald zu einer kleinen Lichtung. Dort, auf einem sanft gerundeten Hügel, standen mehrere Menschen. Die meisten stammten aus Sioneds Haushalt und waren so weit entfernt, daß sie anonym geblieben wären, hätte er sie nicht so gut gekannt. Dunkles Haar schmiegte sich an einen flachsblonden Kopf, Cai hatte seinen Verband aus der Stirn geschoben, wie einen lästigen Hut im heißen Sonnenschein. Ein hellbrauner Scheitel schimmerte silbrig neben einem roten Dornengestrüpp, das wie Bruder Johns Lockengewirr rings um die lange vernachlässigte Tonsur aussah. Und da war Padrig, der seine Reise noch nicht angetreten hatte. Sie winkten lebhaft, und Cadfael erwiderte den Gruß gerührt und beglückt, dann überschattete der dichte Wald den Pilgerzug, und die Bäume verdeckten die Lichtung auf der anderen Seite des Tales.
    Zufrieden sank Cadfael in seinen Sattel zurück und schlief ein.
    Die Nacht verbrachten sie in Penmachmo, wo die Kirche eine Herberge für Reisende unterhielt. Ohne sich bei irgend jemandem zu entschuldigen, zog sich Bruder Cadfael zurück, sobald er sein Maultier versorgt hatte, um den versäumten Schlaf nachzuholen. Nach Mitternacht wurde er von einem ekstatischen Bruder Jerome geweckt.
    »Bruder, ein großes Wunder!« blökte Jerome verzückt. »Ein Reisender kam an, der an einer schmerzhaften Krankheit litt. Er jammerte so laut, daß er die ganze Herberge aus dem Schlaf riß. Prior Robert warf ein paar von den Blütenblättern, die wir aus der Kapelle mitgenommen haben, in Weihwasser und gab es der armen Seele zu trinken. Dann trugen wir den Mann in den Hof hinaus und ließen ihn das Reliquiar küssen. Sofort wurde er von seinen Schmerzen erlöst, und bevor wir ihn wieder auf sein Bett legten, war er bereits eingeschlummert. Jetzt leidet er nicht mehr, schläft tief und fest wie ein Kind. O Bruder, welch eine Gnade!«
    »Überrascht dich das so sehr?« fragte Cadfael streng und verbarg seinen Ärger über die Störung ebenso wie seine Verwunderung, denn dieses Mittel verwirrte ihn mehr, als er zugeben wollte. »Warst du wie ich vom festen Glauben an unsere Heilige beseelt, würde dich dergleichen nicht verblüffen!«
    Aber bei Gott, ich selbst müßte staunen, dachte Cadfael, nachdem Jerome ihn verlassen hatte, um ein dankbareres Publikum zu suchen. Nun, allmählich beginne ich das Wesen der Wunder zu begreifen. Denn wären es Wunder, wenn man sie verstandesmäßig erklären könnte? Wunder haben nichts mit Vernunft zu tun. Sie widersprechen der Vernunft, verspotten sie, und sie geschehen in menschlichen Wüsten, wann immer es den betreffenden Heiligen beliebt. Wenn sie einen Sinn ergäben, wären sie kein Wunder. Getröstet schlief er wieder ein, im Bewußtsein, daß alles in Ordnung war auf dieser Welt, die sich im Laufe seines Lebens so oft als seltsam und verdreht erwiesen hatte.
    Kleinere Wunder, meist trivial oder lächerlich, begleiteten sie auf der ganzen Reise bis Shrewsbury. Aber wie viele Krücken auch weggeworfen wurden, weil sie überflüssig geworden waren (um hinterher hastig aufgehoben zu werden), wie viele Sprachstörungen eher vom Willen als von unfähigen Zungen abhingen, wie viele Lähmungen eher Gehirne als Beine befallen hatten - es war schwierig, die Mirakel zu beurteilen. Und dabei brauchte man nicht einmal die vielen Sensationshungrigen zu berücksichtigen, die Augenbinden trugen und hinkten, um am
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