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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen
Autoren: Ellis Peters
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ins Ohr, die er dem Amtmann überbringen sollte.
    »So ist das also!« rief Peredur mit kugelrunden Augen und vergaß seine eigenen unverzeihlichen Sünden. Dann stieß er einen leisen Pfiff aus. »Und dabei willst du es bewenden lassen?«
    »O ja. Wem könnte es schaden? Alle werden nur gewinnen. Wir, du, Rhisiart, die heilige Winifred - in erster Linie die heilige Winifred. Und natürlich Sioned und Engelard«, fügte Cadfael hinzu, um den reuigen Peredur auf Herz und Nieren zu prüfen. »Ja - ich freue mich für die beiden«, sagte der junge Mann ein bißchen zu emphatisch. Sein Kopf war gesenkt, er blickte zu Boden. Natürlich freute er sich ganz und gar nicht, aber er versuchte es wenigstens. Der gute Wille war vorhanden. »In ein oder zwei Jahren wird niemand mehr dran denken, daß Engelard mal gewildert hat. Wenn er will, kann er nach Cheshire zurückkehren und nach dem Tode seines Vaters das Erbe antreten. Und wenn er nicht mehr als Verbrecher gilt, wird er keine Schwierigkeiten haben. Ich werde Griffith ap Rhys noch heute verständigen. Er ist bei seinem Vetter David, auf der anderen Seite des Flusses, Vater Huw wird mir sicher gestatten, Rhys aufzusuchen, da es um eine amtliche Angelegenheit geht.« Er lächelte schmerzlich. »Wie gut, daß ich dein Bote bin! Während ich ihm erzähle, was jeder wissen muß, aber niemand laut sagen darf, kann ich ihm auch meine eigene Verfehlung gestehen.« Bruder Cadfael nickte zufrieden. »Sehr schön. Alles weitere wird der Amtmann erledigen. Ein Wort ins Ohr des Prinzen - und die ganze Sache ist geregelt.«
    Sie hatten die Stelle erreicht, wo der kürzeste Weg zu Rhisiarts Hof herabführte. Die Hälfte des Gesindes kam herbei, mit Padrig dem Barden, der seine Harfe unter dem Arm hielt und offenbar vorhatte, wieder auf Wanderschaft zu gehen, mit Cai, dem Pflüger, der immer noch einen eindrucksvollen Verband an seinem kerngesunden Kopf trug, nach allen Regeln der Kunst hinkte und schamlose Bosheit aus seinem einen sichtbaren Auge leuchten ließ. Keine Sioned, kein Engelard, keine Annest, kein John. Und Bruder Cadfael, der die entsprechenden Anordnungen gegeben hatte, war plötzlich sehr traurig.
    Sie erreichten die kleine Lichtung und näherten sich der alten moosüberwachsenen Steinmauer des Friedhofs. Klein und unscheinbar hob sich St. Winifreds Kapelle aus der Blumenwiese, und an ihrer Ostseite durchbrach das dunkle Rechteck von Rhisiarts Grab das frühlingsgrüne Gras.
    Prior Robert blieb am Eingang stehen und wandte sich mit einem milden, fast liebevollen Lächeln an die Menge, die ihm gefolgt war.
    »Vater Huw und ihr braven Pfarrkinder von Gwytherin«, lauteten seine Worte, die Cadfael getreulich übersetzte. »Wir sind in guter Absicht zu euch gekommen - geleitet von göttlicher Hand, davon waren und sind wir fest überzeugt. Wir wollten die heilige Winifred ehren, so wie es uns aufgetragen wurde, und euch keineswegs eines kostbaren Schatzes berauben. Vielmehr wollten wir dafür sorgen, daß sein Licht auch auf andere Menschen scheint - ebenso wie auf euch. Daß unsere Mission so schweres Leid über euch gebracht hat, bedrückt auch uns. Aber jetzt, wo wir uns einig sind und ihr bereit seid, uns mit den Reliquien der Heiligen in eine ruhmreiche Welt ziehen zu lassen, sind wir froh und erleichtert. Nun wißt ihr, daß wir nichts Böses im Sinn haben, sondern nur Gutes, und daß uns St. Winifred ebenso am Herzen liegt wie euch.«
    An dem einen Ende des Halbkreises, den die Zuhörer gebildet hatten, klang zustimmendes Gemurmel auf und setzte sich fort bis ans andere Ende.
    »Und ihr mißgönnt uns den Besitz des kostbaren Gutes nicht, das wir mit uns nehmen? Ihr glaubt, daß wir im Recht sind und uns nur aneignen, was uns der Himmel zuerkannt hat?«
    Er hätte seine Worte nicht besser wählen können, dachte Cadfael überrascht und erfreut, fast so, als wüßte er alles - oder so, als hätte ich diese Rede für ihn konzipiert. Wenn er jetzt eine ebenso gut formulierte Antwort bekommt, werde ich selbst an ein Wunder glauben.
    Die Menge gestikulierte heftig, dann trat Bened vor, der respektable Schmied und wohl der beste Sprecher, den sich die Gemeinde aussuchen konnte - abgesehen von Vater Huw, der sich in einer fragwürdigen Position befand, mit je einem Fuß in beiden Lagern stand und deshalb klugerweise schwieg.
    »Vater Prior«, sagte Bened bärbeißig, »keiner von uns mißgönnt euch die Reliquien da drinnen vor dem Altar. Wir glauben, daß sie euch gehören,
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