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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen
Autoren: Ellis Peters
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und auch ernsthaftere Begegnungen gewesen, und keine einzige hatte gebrochene Herzen hinterlassen. Dies betrachtete er als Erfolg, und daß er diese Frauen gekannt hatte, trug zu der harmonischen Ausgeglichenheit bei, die ihm jetzt, in seinem abgeschiedenen, beschaulichen Leben, Befriedigung verschaffte und die ihm zu geduldiger Weisheit verhalf, so daß er den Umgang mit diesen schlichten Gemütern ertrug, die ihr Leben dem Benediktinerorden geweiht hatten. Für ihn war das Klosterdasein ein rechtzeitig erfolgter Rückzug. Wenn man alles andere schon getan hatte, war es eine schöne, zufriedenstellende Aufgabe, einen Kräutergarten zu pflegen. Er konnte sich nicht vorstellen, so zu leben, wenn er zuvor nichts anderes geleistet hätte.
    Noch fünf Minuten, dann mußte er sich die Hände waschen und in die Kirche zur Messe gehen. Er genoß es, durch sein duftendes, blühendes Königreich zu spazieren, wo Bruder John und Bruder Columbanus, zwei Jünglinge, die erst vor knapp einem Jahr tonsuriert worden waren, Unkraut jäteten und Hecken stutzten. Glänzend oder matt, glatt oder behaart leuchteten die Blätter in allen erdenklichen Variationen von Grün. Die Blumen waren meist schüchterne kleine Pflänzchen, die fast verstohlen in gedämpften Farben blühten, denn sie waren unwichtige, ungeliebte Mitbewohner dieses Gartens und nur geduldet, weil sie die Kräutersaat schützten. Gartenraute, Salbei, Rosmarin, Ingwer, Steinsamen, Minze, Thymian, Akelei, Eisenkraut, Bohnenkraut, Senf - hier gediehen alle Arten von Kräutern - Fenchel, Wurmkraut, Basilikum und Dill, Petersilie, Kerbel und Majoran. Er hatte allen seinen Assistenten beigebracht, wie man sie verwendete, auch die unbekannten, und sie auf die Gefahren hingewiesen, denn der Nutzen der Kräuter liegt in der richtigen Proportion. Eine Überdosis kann schlimmer sein als die Krankheit, die kuriert werden soll. Klein und bescheiden in ihren Farbnuancen, dicht beieinander wachsend und schüchtern, erregten Bruder Cadfaels Kräuter nur Aufmerksamkeit, wenn sie im Sonnenschein ihren süßen Duft verströmten. Aber hinter diesen unscheinbaren Reihen erhoben sich höhere, auffälligere Pflanzen - Beete mit Päonien, die wegen ihrer würzigen Samen gezüchtet wurden, hochmütige Mohnblumen, deren geschlossene Knospen kaum die weißen oder purpurfarbenen Blütenblätter zeigten. Sie wuchsen fast mannshoch, und ihre Heimat war der östliche Teil des Mittelmeers. Aus jenen Ländern hatte Cadfael vor langer Zeit ihre Ahnen mitgebracht und sie in seinem eigenen Garten gezüchtet, bevor er die vollkommenen Ergebnisse seiner Bemühungen hierhergebracht hatte, wo sie Schmerzen bekämpften, die schlimmsten Feinde der Menschheit - und die Schlaflosigkeit, die Schwester der Schmerzen.
    Die beiden jungen Männer, die Kutten bis zu den Knien hochgeschürzt, richteten sich gerade auf und streiften die Erde von ihren Händen, denn auch sie mußten sich für die Messe fertig machen. Bruder Columbanus würde niemals seine Pflichten vergessen und auch bei seinen Mitbrüdern keine Nachlässigkeiten dulden. Er war ein hübscher und gutgebauter großer Bursche mit einem runden Normannenkopf, denn er stammte aus einer aristokratischen Normannenfamilie, der jüngere von zwei Söhnen und dazu bestimmt, innerhalb der Mönchshierarchie Karriere zu machen. Dies galt als zweitbestes Lebensziel - wenn man schon kein Land erben konnte. Er hatte kräftiges, zu Berge stehendes blondes Haar und strahlend blaue Augen. Seine bescheidene Haltung, seine Blässe, sein introvertiertes Wesen bildeten einen krassen Gegensatz zu seinem muskulösen Körperbau.
    Kein sehr einfacher Kollege, dieser Bruder Columbanus, denn trotz seiner bewunderswerten Kraft war er erschreckend sensibel, neigte zu emotionalen Krisen und Gewissensnöten, zu apokalyptischen Visionen, die nicht zu seinem massiven Bauernschädel passen wollten. Aber er war jung und idealistisch, und er hatte noch genug Zeit, um diese Qualen zu überwinden. Bruder Cadfael hatte ein paar Monate lang mit ihm zusammengearbeitet und war voller Hoffnung. Bruder Columbanus war willig, tüchtig und fast zu eifrig darauf bedacht, Wohlgefallen zu erregen. Wahrscheinlich fühlte er sich seinem aristokratischen Elternhaus allzu verpflichtet und fürchtete, ein Mißerfolg könnte seiner Familie schaden. Man kann nicht von erlauchtem normannischem Geblüt und ein Versager sein!
    Bruder Cadfael hatte Mitleid mit allen Opfern, die in solche Fallen geraten waren. Er
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