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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen
Autoren: Ellis Peters
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zuckte zusammen, verzichtete aber auf eine Ermahnung, um die Erzählung nicht zu unterbrechen. »Er erklärte, daß ihm heiß wäre und daß er nach einer mühsamen Jagd schrecklichen Durst hätte, und bat sie um ein Glas Wasser. Da ließ sie ihn ins Haus und gab ihm zu trinken. Und dann...« Bruder Rhys schlang sich die Arme, die in den voluminösen Ärmeln seiner Kutte steckten, um die Schultern und sprang auf, mit einem Temperament, das ihm niemand zugetraut hätte. »... sprach er von seiner Liebe und riß sie in die Arme! So!« Die Anstrengung war fast zu viel für ihn, und unter dem erschrockenen Blick des Priors sank er würdevoll auf seine Bank zurück. »Die unerschütterliche Jungfrau wies ihn mit sanften Worten zurück, floh in ein anderes Zimmer, kletterte aus dem Fenster und lief zur Kirche. Prinz Cradoc merkte, daß sie davongerannt war, schwang sich auf sein Pferd und ritt hinter ihr her. In der Nähe der Kirche holte er sie ein. Er fürchtete, daß sie der Gemeinde von seiner Niedertracht erzählen würde, und deshalb enthauptete er sie mit seinem Schwert.«
    Er machte eine Pause, um auf ein entsetztes, mitfühlendes oder empörtes Gemurmel zu warten, was auch in reichem Maße erfolgte, untermalt von gefalteten Händen und runden Augen. Dann rief Bruder Jerome begeistert: »Und so fand die arme Märtyrerin den Tod und wurde heilig gesprochen?«
    »Aber nein!« stieß Bruder Rhys hervor. Er hatte Bruder Jerome nie gemocht. »Der heilige Bueno und die fromme Gemeinde kamen aus der Kirche und sahen, was geschehen war. Der Heilige verfluchte den Mörder, der sofort zu Boden sank und zerschmolz wie Wachs - bis die Reste seines Körpers im Gras versickert waren. Der heilige Bueno setzte den Kopf der Jungfrau auf ihren Hals, das Fleisch wuchs wieder zusammen, und sie erhob sich. Und an derselben Stelle entsprang die heilige Quelle.«
    Fasziniert warteten die Brüder auf das Ende der Geschichte, und er ließ sie warten. Nachdem er geschildert hatte, wie die heilige Winifred von den Toten auferstanden war, hatte er jegliches Interesse an ihr verloren.
    »Und was geschah dann?« drängte Prior Robert. »Was fing sie mit ihrem neuen Leben an?«
    »Sie pilgerte nach Rom«, antwortete Bruder Rhys gleichgültig, »besuchte eine große Synode von Heiligen und wurde zur Priorin eines Jungfrauenklosters in Gwytherin ernannt, bei Llanrwst. Dort lebte sie noch viele Jahre und wirkte zahlreiche Wunder. Und als sie zum zweitenmal starb, blieb es dabei.« Er zuckte mit den Schultern. Mehr gab es nicht über Winifred zu sagen. Sie hatte die Chance verpaßt, in Prinz Cradocs Armen die Liebe kennenzulernen, weil es ihre Bestimmung gewesen war, Priorin in einem Nest voller alter Jungfern zu werden. Was hätte er sonst noch über sie erzählen sollen?
    Doch Prior Robert ließ nicht locker. »Ist sie in Gwytherin begraben? Sind auch nach ihrem Tod Wunder geschehen?«
    »Ja, das habe ich gehört. Aber es ist schon lange her. Seither wurde ihr Name nicht mehr genannt.«
    Pior Robert stand im Sonnenlicht, das zwischen den Säulen des Kapitelsaales hereinfiel, zu seiner vollen imposanten Größe aufgerichtet, und heftete seinen strahlenden, eindringlichen Blick auf Abt Heribert. »Vater, glaubst du nicht auch, daß unsere Suche nach einem mächtigen, heiligen Schirmherrn von Gott geleitet wurde? Diese wunderbare Heilige hat uns besucht, in Bruder Jeromes Traum, und uns aufgefordert, unseren kranken Bruder zu ihrer Quelle zu bringen, damit er genesen kann. Dürfen wir nicht hoffen, daß sie unsere Schritte auch weiterhin lenken wird? Wenn sie unsere Gebete erhört und Bruder Columbanus wieder gesund macht - wäre dann unsere Hoffnung vermessen, daß sie zu uns kommen und bei uns wohnen wird? Und daß wir die Erlaubnis der Heiligen Kirche erhalten könnten, ihre gesegneten Gebeine nach Shrewsbury zu holen - zu Ruhm und Ehre dieses Hauses?«
    »Und zu Prior Roberts Ruhm und Ehre«, wisperte Bruder John in Cadfaels Ohr.
    »Nun, es läßt sich nicht leugnen, daß sie uns ihre Gunst bewiesen hat«, gab Abt Heribert zu.
    »Habe ich dann deine Erlaubnis, mein Vater, Bruder Columbanus mit einer Eskorte zur Quelle Holywell bringen zu lassen? Noch heute?«
    »Tu das. Unsere Gebete werden ihn begleiten. Vielleicht wird er als Bote der heiligen Winifred zurückkehren, gesund und dankbar.«
    Kurz nach dem Mittagessen wurde der geistesgestörte Mann, der in unzusammenhängenden Wortschwallen mit sich selber sprach, aus dem Kloster geführt, auf
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