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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen
Autoren: Ellis Peters
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ein Maultier gesetzt, auf einen hohen Sattel mit Gurten, und festgebunden, damit er nicht herunterfallen konnte, wenn er wieder einen Anfall bekam. Links und rechts von ihm ritten Bruder Jerome und ein stämmiger Laienbruder, um ihn notfalls festzuhalten. Columbanus blickte mit großen mitleiderregenden Kinderaugen um sich und schien niemanden zu kennen, ergab sich aber widerstandslos in sein Schicksal.
    »Ich würde auch gern einen kleinen Ausflug nach Wales machen«, sagte Bruder John wehmütig, nachdem sie um eine Mauerecke gebogen waren, um zur Brücke über den Severn zu reiten. »Aber vermutlich hätte ich nicht die richtigen Visionen gehabt. Jerome eignet sich viel besser dazu.«
    »Mein Junge«, entgegnete Cadfael mit einem toleranten Lächeln, »du entwickelst dich zusehends zu einem Skeptiker.«
    »Keineswegs! Ich glaube ebenso wie alle anderen an die Heiligkeit des Mädchens und an diese Wunder. Wir wissen, daß die Heiligen die Macht besitzen, uns segensreiche Hilfe zu gewähren, und ich glaube, daß sie auch dazu bereit sind. Aber wenn Prior Roberts getreuer Haushund solche Träume hat, dann heißt das, daß ich an seine Heiligkeit glauben soll, nicht an die der guten Winifred. Außerdem - ist es nicht ehrenvoll genug, daß sie uns ihre Gunst erwiesen hat? Warum wollen sie auch noch die Gebeine der armen Frau ausgraben? Das kommt mir so vor, als würden sie einem Leichenhaus angehören und keiner Kirche. Und du denkst genauso«, fügte Bruder John hinzu und blickte dem älteren Mann fest ins Auge.
    »Wenn ich mein Echo hören will, spreche ich selbst«, erwiderte Bruder Cadfael. »So, und jetzt hol die frische Gartenerde. Wir müssen die Kohlpflänzchen einsetzen.«
    Die Abordnung, die man nach Holywell gesandt hatte, war fünf Tage unterwegs und kehrte an einem regnerischen Abend glanzvoll heim. Inbrünstige Gebete auf den Lippen, ritten die drei Mönche in den Hof, in der Mitte Bruder Columbanus, der aufrecht, anmutig und triumphierend im Sattel saß - falls ein so demütiger Mann mit einem solchen Wort beschrieben werden kann. Sein Gesicht strahlte, die Augen waren erfüllt von tiefem Wunderglauben und Intelligenz. Niemand hatte je zuvor weniger wahnsinnig ausgesehen, niemandem hätte man in geringerem Maße epileptische Anfälle zugetraut. Er eilte geradewegs in die Kirche, um Gott und der heiligen Winifred auf den Knien zu danken. Die anderen folgten ihm, und dann begaben sie sich ins Arbeitszimmer des Abtes, um Heribert, dem Prior und dem Unterprior pflichtschuldigst Bericht zu erstatten.
    »Vater«, sagte Bruder Columbanus in freudigem Eifer, »ich könnte dir nicht schildern, was mir widerfahren ist, denn ich weiß weniger als diese beiden, die mich während meines Deliriums pflegten. Ich weiß nur, daß ich diese Reise antrat wie ein Mann, der in einem bösen Traum gefangen ist, daß ich dorthin ritt, wohin man mich führte, ohne auch nur zu ahnen, wie ich für mich selbst sorgen oder was ich tun sollte. Und plötzlich erwachte ich aus diesem Alptraum, an einem hellen Morgen, in einer gleißenden Frühlingswelt. Ich stand nackt im Gras neben einem Brunnen, und diese guten Brüder gossen das Wasser über mich, das mich heilte. Ich erkannte mich selbst und die beiden wieder, und ich fragte, wo ich mich befand und wie ich dorthin gelangt war. Dies erzählten sie mir bereitwillig. Und dann gingen wir in eine kleine Kirche in der Nähe, gefolgt von vielen Leuten, um eine Messe zu lesen. Jetzt weiß ich, daß ich meine Genesung der heiligen Winifred zu verdanken habe. Ich lobpreise und verehre sie aus tiefstem Herzen und schicke ein Dankgebet zu Gott, der sie veranlaßt hat, mir Gnade zu erweisen. Alles andere werden dir diese Brüder sagen.«
    Der Laienbruder war ein großer, einsilbiger Mann - und er war ziemlich müde, nachdem er unterwegs den Löwenanteil aller erforderlichen Arbeiten geleistet hatte. Außerdem begann ihn die ganze Sache allmählich zu langweilen. Und so machte er zwar die passenden Randbemerkungen, wann immer es erforderlich war, überließ es aber dem wortgewandten Jerome, die Geschichte zu erzählen. Und Bruder Jerome berichtete weitschweifig, wie sie ihren Patienten in das Dorf Holywell gebracht und die Einheimischen gefragt hatten, wo die Quelle wäre. Man hatte ihnen gezeigt, wo die Heilige nach ihrem Martyrium von den Toten auferstanden war. Die silbrige Quelle sprudelte jetzt aus einem Steinbecken. Sie führten den immer noch fantasierenden Columbanus hin, zogen ihm die
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