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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen
Autoren: Ellis Peters
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loszuwerden. Als Abt Heribert ihm sanfte Vorwürfe machte, weil er den Patienten allein gelassen hatte, faltete er ehrerbietig die Hände und neigte den Kopf, allerdings, ohne seine Erregung zu bezähmen.
    »Vater, eine andere Pflicht sandte mich hierher - eine Pflicht, die sicher dringlicher ist. Bruder Columbanus schläft - wenn auch nicht friedlich, denn er wird anscheinend von bösen Träumen heimgesucht. Aber zwei Laienbrüder halten bei ihm Wache. Falls ich ein Unrecht begangen habe, werde ich es demütig büßen.«
    »Geht es unserem Bruder noch nicht besser?« fragte der Abt besorgt.
    »Er leidet immer noch, und wenn er wach ist, tobt er, aber... Vater, dies ist es, was ich dir mitteilen wollte - es gibt Hoffnung für ihn! In der Nacht bekam ich einen wundersamen Besuch, und nun bin ich hier, um von der göttlichen Gnade zu berichten, die mir zuteil wurde. In den Morgenstunden nickte ich neben Bruder Columbanus' Bett ein, und da hatte ich einen großartigen Traum.«
    Mittlerweile hatte er die Aufmerksamkeit aller Brüder auf sich gezogen, sogar Cadfael war hellwach.
    »Also noch einer«, flüsterte ihm Bruder John spöttisch ins Ohr. »Allmählich breitet sich die Seuche aus!«
    »Vater, die Wand der Kammer schien sich zu öffnen, und ein gleißendes Licht flammte auf, und in diesem Lichtstrahl kam eine schöne Jungfrau herein. Sie trat ans Bett unseres Bruders und sagte mir, daß sie Winifred heißt und daß es eine heilige Quelle in Wales gibt - dort, wo sie ihr Martyrium erlitten hat. Und dann verriet sie mir, daß Bruder Columbanus sicher genesen würde, wenn er im Wasser dieser Quelle badet. Sie segnete unser Kloster, dann verschwand sie, das Licht erlosch, und ich erwachte.«
    Das ehrfürchtige Gemurmel, das diesen Worten folgte, wurde von Prior Roberts Stimme übertönt, die in ehrfürchtigem Triumph ausrief: »Vater Abt, wir wurden erleuchtet! Unsere unermüdliche Suche nach einem Heiligen hat dieses Zeichen der Gnade auf uns gelenkt, das uns Kraft gibt und uns ermutigt auszuharren!«
    »Winifred«, sagte der Abt zweifelnd. »Ich erinnere mich nur undeutlich an die Geschichte dieser Heiligen und Märtyrerin. Es gibt ja so viele in Wales... Natürlich müssen wir Bruder Columbanus zu dieser Quelle schicken. Es wäre undankbar, ein solches Omen zu mißachten. Aber - wo ist die Quelle?«
    Prior Robert wandte sich an die wenigen Waliser unter den Brüdern. Rasch glitt sein Blick über Cadfael hinweg, der nie zu seinen Favoriten gezählt hatte, vielleicht wegen dieses gewissen Funkelns in seinen Augen und seiner berüchtigten weltlichen Vergangenheit. Und dann leuchtete der Blick des Priors auf, als er auf den alten Bruder Rhys fiel, der schon etwas senil war, aber in dogmatischer Hinsicht keine Gefahr darstellte, und der die umfassenden, wenn auch teilweise kapriziösen Erinnerungen sehr alter Menschen hatte. »Bruder, kannst du uns die Geschichte dieser Heiligen erzählen und uns sagen, wo ihr Brunnen zu finden ist?«
    Der alte Mann merkte erst nach einer geraumen Weile, das er zum Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit geworden war. Er war zusammengeschrumpft wie ein dürrer Vogel und zahnlos, und an tolerante Nichtbeachtung gewöhnt. Zögernd fing er zu sprechen an, erwärmte sich aber zusehends für das Thema, als er alle Blicke auf sich gerichtet sah. »Die heilige Winifred? Jedermann kennt die heilige Winifred. Die Quelle Holywell ist nicht weit von Chester entfernt. Aber dort werdet ihr Winifreds Grab nicht finden.«
    »Erzähl uns von ihr«, bat der Prior, der vor Eifer von einem Bein aufs andere trat. »Erzähl uns ihre ganze Geschichte.«
    »Die heilige Winifred«, deklamierte der Greis, der diese Stunde seines Ruhmes zu genießen begann, »war das einzige Kind eines Ritters namens Tevyth, der in jener Gegend lebte, wo die Fürsten noch Heiden waren. Aber der heilige Bueno hatte den Ritter und alle Bewohner seines Hauses bekehrt, und Tevyth baute eine Kirche für den Heiligen und nahm ihn bei sich auf. Das Mädchen liebte Bueno noch inniger als die Eltern und gelobte, Jungfrau zu bleiben und jeden Tag die heilige Messe zu hören. Doch eines Sonntags wurde sie krank und mußte zu Hause bleiben, während alle anderen zur Kirche gingen. Da kam ein Prinz zu ihr, Cradoc, ein Königssohn, der sie einmal aus der Ferne gesehen und sich sofort in sie verliebt hatte, denn sie war sehr schön. Unbeschreiblich schön!« schwärmte Bruder Rhys und leckte sich schmatzend über die Lippen. Prior Robert
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