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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen
Autoren: Christine Béchar
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gesagt.“
    „ Entschuldige!“
    Er machte ein paar Schritte seitwärts, vermutlich um mir ein Anstoßen zu ersparen, und ließ schließlich meine Füße wieder auf den Boden. Ich wiederum ließ meinen Blick durch den großen Raum schweifen.
    „ Und? Wie findest du’s?“, fragte er gespannt.
    „ Schwarz und weiß. Yin und Yang“, antwortete ich beim Anblick des Symbols an der Wand. „Wieso bin ich nicht überrascht?“
    Ich war von Schwarz und Weiß umgeben, selbst die Dekoration machte keine Ausnahme, ob die Gitarre, die mit einem Kohlestift gezeichnet war, die schwarze Banderole über dem Bett mit dem weißen Schriftzug; selbst Che Guevara war auf einem weißen Hintergrund, statt auf dem üblichen roten. Ich musste enttäuscht wirken, denn Yannick versuchte, mich zu ermuntern.
    „ Du kannst ruhig ein paar Farbtupfer reinbringen, solange du die Wände nicht pink streichst.“
    „ Keine Sorge. Eigentlich stehe ich eher auf warme Töne, wie gelb und orange … Holz und Pflanzen. Ich werde aber nichts auf den Kopf stellen. Etwas Grünes muss aber her. Ansonsten ist das nicht so wichtig, Hauptsache du bist da.“
    Ich schmiegte mich an ihn.
    „ Wenn du willst, können wir morgen eine Pflanze kaufen.“
    „ Was würdest du von einer Palme neben dem Fenster halten?“
    „ Eine gute Idee.“
    „ Es brennt aber nicht. Ich habe mich in deiner anderen Wohnung wohlgefühlt, es gibt keinen Grund, weshalb es hier anders sein sollte.“
    „ Dort warst du nur zu Besuch. Außerdem ist die Wohnung an sich so dunkel und rustikal, man ist angenehm überrascht, sobald man mein Zimmer betritt. Aber jetzt kommen wir von einer bürgerlichen Villa, die mit viel Geschmack und wahrscheinlich viel Geld eingerichtet ist.“
    „ Sag doch gleich, dass ich spießig bin.“
    „ Das nicht … Du wirst aber zugeben, dass das Leben dich bisher verwöhnt hat.“ Er klebte an mir. Seine Schritte zwangen mich, mich rückwärts zu bewegen. „Schöne Villa, Putzfrau, Pferd, Ferien in Spanien, ein Auto zum achtzehnten Geburtstag. Du willst mir nicht weismachen, dass du dich für ein armes kleines Mädchen hältst.“ In dem Moment verlor ich mein Gleichgewicht und landete auf dem Bett.
    Während er sich, die Augen in meine gebohrt, zu mir herunterbeugte, erwiderte ich: „Nein, aber stell dir vor, ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass mein Freund ein armer Schlucker ist. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren kann er sich eine Mietwohnung in Paris leisten, ein Haus im Jura, eine Harley, eine Enduro, einen Lincoln, Tausende von CDs, ganz zu schweigen von den vielen Reisen ins Ausland. In der Tat, verglichen zu mir bist du wirklich ein armer Kerl.“
    „ Ja, ich bin sehr zu bedauern, vor allem seit ich mich in diese reiche Göre verguckt habe, die sich in eine echte Raubkatze verwandeln kann, wie ich heute Nachmittag wieder feststellen konnte.“
    „ Pass auf, was du sagst, oder ich fahre meine Krallen aus.“
    „ Greg?“, rief eine männliche Stimme vom Eingang.
    „ Das darf doch nicht wahr sein“, flüsterte Yannick, und dann lauter zu dem Eindringling: „Greg ist nicht da.“
    Ein junger Mann mit Wuschelkopf und Nickelbrille stand auf einmal in der Tür.
    „ Ach Yan, du bist es. Lasst euch bloß nicht stören! Ich stelle das Gepäck in den Flur und mache die Tür hinter mir zu.“
    „ Danke! … Das war Pascal, unser Nachbar.“
    Das Déjà-vu löste einen Lachanfall bei uns aus.
    „ Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll“
, las ich den Schriftzug, der über dem Bett hing. „Sex und Rock ’n’ Roll okay, aber die Drogen?“
    „ Du bist meine Droge.“
    Bevor ich etwas dazu sagen konnte, schloss sein Mund den meinen.
     

    „ Wo sind die Toiletten?“, fragte ich später.
    „ Entschuldige, wo sind meine Manieren? Ich gehe zuerst, wenn du nichts dagegen hast, ich möchte erstmal den Zustand begutachten.“
    Der Zugang befand sich im Flur, der in der Tat vollgestopft war. Unser Gepäck, das vom Nachbarn mitten im Weg abgestellt wurde, machte es nicht besser. Wider Erwarten waren WC und Badezimmer blitzblank. Beide Räume waren klein und weiß gefliest. Zu zweit im Bad konnte man sich kaum noch drehen, geschweige denn fortbewegen. Keine Frage, dieses Appartement war nicht für eine Großfamilie konzipiert worden.
    Da wir bei der Besichtigung waren, wollte mich Yannick gleich mit dem Rest vertraut machen. Wie angekündigt ging das schnell über die Bühne. Die Küche, oder besser gesagt die Kochnische ohne Tür, war winzig klein.
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