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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen
Autoren: Christine Béchar
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peinlich, ich hatte ihn angemacht, dabei hatte er mir eine Freude machen wollen.
    „ Schon vergessen. Solche Kleinigkeiten kann ich sehr schnell aus meinem Gedächtnis streichen“ …
Im Gegensatz zu anderen
, sagten seine Blicke, die wieder auf meiner Narbe ruhten.
    „ Schau bitte auf die Straße, wenn du fährst!“
    Grinsend richtete er den Blick nach vorne.
    Irgendwann fiel mir auf, dass er immer wieder auf die Uhr guckte.
    „ Sind wir verabredet?“
    „ Nein, im Gegenteil. Ich habe eher Angst, zu früh anzukommen, ich habe Greg gebeten, die Wohnung vor vier zu verlassen.“
    „ Ich dachte, du wolltest ihn unbedingt sehen.“
    „ Aber doch nicht heute!“, sagte er, die Augen schon wieder auf meinen Beinen.
    Da der Wagen keine Klimaanlage hatte, kamen wir schweißgebadet in Paris an, aber immerhin ohne Zwischenfall oder weitere Unterbrechungen, bis auf den Stau. Ein Glück, dass es ein Gewitter gegeben hatte, um die Luft ein wenig erträglicher zu machen. Es reichte jedoch nicht aus, um meinen sensiblen Geruchssinn zu schonen. Ich war mir nicht sicher, ob der Regen das Ganze verschlimmerte oder ob er die Luft reinwusch. Yannick schaute amüsiert zu, wie ich das Fenster immer wieder auf und zu machte.
    „ Was hast denn du für ein Problem?“
    „ Die Abgase. Ich bin seit meiner ersten Verwandlung sehr empfindlich gegenüber Gerüchen geworden.“
    „ Ich werde dir eine Maske kaufen, wie die Chinesen sie tragen.“
    „ Sehr witzig!“
    Er wühlte im Handschuhfach und überreichte mir eine Tüte.
    „ Nimm das!“
    „ Ich mache mir doch kein Putztuch über die Nase.“
    „ Es ist ganz neu. Schau, die Tüte ist noch hermetisch versiegelt.“
    Kopfschüttelnd steckte ich das Tuch samt Verpackung wieder weg. Nach ein paar Minuten holte ich es aber raus, um mir das Stück Stoff doch vor die Nase zu halten. Grinsend wollte Yannick irgendeinen Kommentar abgeben, ich ließ ihm keine Gelegenheit dazu.
    „ Erspare mir deine Bemerkungen. Ich glaube, ich muss gleich kotzen.“
    „ Nur zu! Solange wir stehen. Mach die Tür aber vorher auf.“
    „ Ich denke, es wird gehen.“
    „ Hoffentlich bist du nicht schwanger.“
    „ Spinnst du?! Mit doppelter Verhütung.“
    „ Trink Wasser! Es wird dir guttun.“
    Ich nahm einen Schluck.
    „ Weißt du, dass ich Paris nur im Regen kenne? Ich bin zwar nicht oft hergekommen, aber jedes Mal hat es geregnet. Selbst als ich mal drei Tage hier verbracht habe, hat es ununterbrochen in Strömen gegossen.“
    „ Das sind ja schöne Aussichten! Hoffentlich bestätigt sich das nicht, sonst muss ich dich in die Normandie zurückbringen.“
    Währenddessen küsste er meine Hand und seine Augen sagten etwas ganz anderes.
     

    In seinem Viertel angekommen, mussten wir eine geschlagene Stunde Runden drehen, bis wir endlich einen Parkplatz fanden.
    „ Ihr hättet einen Smart kaufen sollen. Wie hast du das mit dem Lincoln gemacht?“
    „ Ich habe einen Stellplatz ganz in der Nähe. Der ist aber bis Ende des Monats vermietet.“

35
     

     

     

     

    Als die Tür vom Aufzug zuging, hatte ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Sofort war mir in dem engen Raum das Bild meiner Mutter durch den Kopf geschossen. Der sonst so selbstsichere Yannick wirkte ebenfalls nervös auf mich. Im vierten Stock angekommen sah er kein bisschen souveräner aus und machte das Ganze recht spannend. Er schien sich alle Zeit der Welt zu nehmen, ich hatte im Verdacht, er fürchtete mein Urteil. Als der Schlüssel schließlich auf den Boden fiel, wuchs meine Ungeduld. Er spannte mich weiterhin auf die Folter, indem er die nun aufgeschlossene Tür nur einen kleinen Spalt aufmachte.
    „ Ich hätte gerne, dass du die Augen schließt.“
    „ Ich soll die Augen schließen?“, wiederholte ich verblüfft.
    „ Ja. Ich werde dich tragen.“
    „ Wie eine Braut?“
    Kaum war das Wort draußen, fand ich den Vergleich deplatziert oder zumindest arg verfrüht. Yannick schien sich nicht daran zu stören und bestätigte mit einem Lächeln: „Wie eine Braut. Gregory hat den Eingang mit Kartons vollgestopft. Ich möchte nicht, dass du gleich einen Schock kriegst.“
    Ich versuchte mich ganz leicht zu machen, indem ich mich an ihm festhielt. Das letzte Mal, dass ich so getragen worden war, musste in meiner früheren Kindheit gewesen sein. Ich konnte mich jedenfalls nicht mehr daran erinnern. Als Yannicks Lippen meinen Mundwinkel berührten, musste ich einfach die Augen aufmachen.
    „ Nicht gucken, hab’ ich
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