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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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schon, wann und wie oft sich diese Finsternis wiederholte? Ich fürchtete, dass Echnaton selbst in Gefahr war und dass Aton mir auf diese Weise einen Wink geben wollte, damit ich zu seinem Sohn eilte, um ihm zu helfen.
    Eine bis dahin nicht gekannte Unsicherheit überkam mich, und diese Unsicherheit wich bald blanker Angst. Diese Angst galt aber nicht mir, sie galt Echnaton und dem Knaben. Ich wusste, dass ich zu Pharao nach Achet-Aton zurückkehren musste, noch heute. Aber was sollte mit dem Knaben geschehen? Sollte ich ihn hier in Merwer zurücklassen, in den besten Händen, die ich mir vorstellen konnte? Hier war er vor der Pest in Sicherheit, die ja vielleicht noch immer am Nil wütete. Hier würde ihm kein Feind ein Haar krümmen. Ich konnte ihn nicht allein zurücklassen. Nie und nimmer hätte ich es mir verziehen,wäre ihm in meiner Abwesenheit doch etwas zugestoßen. Er musste mit mir kommen, ganz gleich, welche Gefahren uns auf unserer Reise drohten.
     
    So gut es nur ging, beruhigte ich die Menschen in Merwer, gab ihnen Anweisungen und Ratschläge und wusste mir doch selbst keinen Rat. Ich versprach ihnen, dass ich zurückkehren würde, sobald die rätselhafte Erscheinung geklärt war.
    Schon zwei Stunden, nachdem sich die Sonnenscheibe verfinstert hatte, zogen wir los. So schnell wir nur konnten, eilten wir gen Osten, dem Fluss entgegen, bis wir ihn völlig erschöpft erreicht hatten. Jetzt mussten wir aber bis zum Hafen von Maimun vordringen, denn wir brauchten ein Schiff. Auch hier herrschte noch große Unruhe, denn über Maimun hatte sich die Sonne ebenso verfinstert wie über Merwer.
    Nur der Macht, die von dem Ring Echnatons ausging, hatte ich es zu verdanken, dass uns im Hafen von Maimun ein Kommandant der königlichen Flotte sein Schiff mitsamt Steuermann und dreißig kräftigen Ruderern überließ. Ich flehte ihn an, ich schrie ihn an, und zuletzt gab ich ihm einen halben Beutel Gold, damit er so schnell wie noch nie zuvor in seinem Leben das Schiff mit ausreichend Trinkwasser und Lebensmitteln beladen ließ. Ich beneidete Tutanchaton um die kindliche Ruhe und Unbekümmertheit, mit welcher er das aufgeregte Treiben im Hafen und auf unserem Schiff beobachtete. Er hatte keine Vorstellung davon, wann ein Schiff langsam und wann es schnell beladen wurde.
    «Jetzt fahrt doch endlich los!», rief ich voll Ungeduld, als ich sah, dass das Schiff beladen war und nur noch die Leinen gelöst werden mussten.
    Ein erfrischend kühler Nordwind blähte die riesigen weißen Segel, und weil die Strömung des Flusses zu dieser Zeit schwach war, genügte ein geringer Einsatz der Ruderer, um dennoch zügig gegen den Lauf des Flusses vorwärts zu kommen. Der Kommandantund sein Steuermann waren erfahrene Leute, die den Nil mit all seinen Gefahren, seinen Biegungen und Untiefen, plötzlich aufragenden Felsen und Stellen mit starken Flusspferdvorkommen kannten. So trieben meine mahnenden, flehenden und manchmal auch drohenden Worte das Schiff Tag und Nacht südwärts, der Stadt Echnatons und seines Gottes entgegen.
    Nachts schlief ich nur wenig, denn entsetzliche Träume schreckten mich immer wieder auf und ließen mich Umschau halten, ob das Entsetzliche Wirklichkeit geworden war oder nicht. Ich träumte von den unterschiedlichsten Menschen, die mir im Laufe meines Lebens begegnet waren. Ich träumte von meinen Eltern und von Amenophis, von Maj, jenem tapferen Offizier, der einst im Feldzug gegen das elende Kusch in Nimurias Armen sein Leben ausgehaucht hatte. Ich träumte von Merit und Ti, von meinem Diener Senu und von Isis, vom weisen Amenophis, dem Sohn des Hapu, und von Merimes, dem Königssohn von Kusch. Nur eines war es, was diese Menschen miteinander verband: Sie alle lebten nicht mehr. Ich machte mir Vorwürfe, dass ich Echnaton überhaupt verlassen hatte. Hätte nicht auch ein anderer Tutanchaton in Sicherheit bringen können?
    Die Tage verbrachte ich am Bug des Schiffes und zählte die Stunden, die bis zur Ankunft in Achet-Aton noch vor uns lagen. Ich beobachtete die Landschaft, die langsam neben unserem Schiff vorüberglitt, und suchte wie immer auf meinen Reisen entlang des Flusses nach auffälligen Punkten, damit ich mich orientieren konnte. Am dritten Tag wusste ich, dass es nicht mehr weit war. Zwei, drei Flussbiegungen noch, dann mussten wir die alte Stadt Chmenu erreichen.
    «Ob mein Magier noch lebt?», dachte ich bei mir und musste still in mich hineinlachen, als ich mich an mein kindisches und
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