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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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nichtig. Das gilt für dich wie für mich.» Echnaton drehte sich einmal vorsichtig um, als wollte er prüfen, ob uns jemand belauscht haben konnte.
    Dann trat er noch näher an mich heran und fragte mich leise: «Trägst du meinen Ring bei dir?» Ich senkte langsam die Augenlider und nickte dabei fast unmerklich mit dem Kopf.
    «Benütze ihn in Merwer nach Belieben. Wenn du willst, kannst du auch den Frauenpalast aufsuchen, denn für mich hat er ohnehin keine Bedeutung mehr.»
    Jetzt war es an mir, ihn anzulächeln und mit den Achseln zu zucken. «Die Begeisterung wird nicht sehr groß sein, wenn ein Mann meines Alters dort erscheint. Glaubst du nicht?»
    «Dort ist dir niemand Rechenschaft schuldig und niemand hat dir Fragen zu stellen, Eje. Halte es, wie du magst!»
    Echnaton warf einen kurzen Blick zur Anlegestelle und zur königlichen Barke und erkannte wohl gleich, dass alles für die Abfahrt vorbereitet war.
    «Ihr müsst los!», sagte er knapp und zeigte dabei mit der Rechten in Richtung Schiff.
    Auf unserem Weg dorthin fuhr er fort: «Denke daran, dass du jetzt für die Zukunft Ägyptens verantwortlich bist. Die Hoffnungen aller, sowohl meiner Anhänger als auch meiner Gegner, ruhen allein auf Tutanchaton. Stieße ihm etwas zu, würdest du dir ausnahmslos alle zum Feind machen.»
    Ich sah ihm lange und eindringlich in die Augen, die mir ihrerseits nicht einen Wimpernschlag lang auswichen.
    Schließlich sagte ich zu ihm: «Ich werde auf TutanchatonAcht geben, als wäre er mein eigener Sohn. Sei dir dessen immer gewiss, Echnaton! Bis zu meinem letzten Atemzug werde ich für dieses Kind da sein, gleich was kommt!»
    Pharao beugte sich zu seinem kleinen Sohn nieder, hob ihn hoch zu sich und küsste ihn auf beide Wangen.
    «Sei tapfer, mein Junge! Es macht großen Spaß, mit Eje zu reisen. Ich habe das als Junge auch gemacht. Und du wirst auf ihn hören, wie du auf mich hörst! Du weißt, ich erfahre alles.»
    Die dünnen Arme des kleinen Jungen waren fest um Echnatons Hals geschlungen, und er drückte seine linke Wange fest gegen das Gesicht seines Vaters.
    «Ich werde auch nicht weinen, Vater», piepste es kaum vernehmlich, und schon rann eine dicke Träne herab.
    «Ich wusste doch, dass du ein großer Junge bist», antwortete der ebenso gerührte Vater und setzte den Knaben wieder ab. Dann nahm er kurz Mutnedjemet in seine Arme, sagte ihr Lebewohl und wandte sich dann ein letztes Mal mir zu.
    Doch bevor er etwas sagen konnte, war ich es, der ihn um Vorsicht bat: «Sieh dich vor, Echnaton! Der Faden, an welchem dein Schicksal hängt, ist dünn geworden. Du weißt das. Es wäre schade, wenn dein Werk ein vorzeitiges Ende nehmen würde!»
    «Mein Werk wird kein vorzeitiges Ende nehmen, Eje. Aber ich werde auf mich achten. Nun geht endlich!»
    Er umarmte mich fest und innig und schob mich dann geradezu auf den schmalen, hölzernen Steg, der meine Tochter, Prinz Tutanchaton und mich auf das Schiff führte.
    Nachdem die Taue bereits gelöst waren und das Schiff schon im Begriff war, in Richtung Flussmitte zu treiben, hielt er beide Hände neben seinen Mund und rief mir laut zu: «Wenn man in fünf- oder in zehntausend Jahren noch über jemanden sprechen wird, dann wird es Echnaton sein! Glaube mir das, alter Freund!»
    Fröhlich lachend, sodass ich noch von weitem seine großen,weißen Zähne sehen konnte, winkte er uns mit weit ausgestrecktem Arm zu, und alle an Bord erwiderten auf gleiche Weise den Gruß Pharaos.
     
    Jetzt, da durch die zunehmende Entfernung und wegen meiner nachlassenden Sehkraft die Umrisse Echnatons unschärfer wurden, glaubte ich mehr und mehr, den jungen Prinzen zu erkennen, der er war, als er vor genau neunzehn Jahren mit mir nach Men-nefer gereist war, um dort etwas über den Tod seines Bruders Thutmosis zu erfahren und um dessen Leichnam nach Waset zu bringen. Was war seither geschehen, wie sehr hatte Ägypten sein Antlitz verändert! Dieses einst so ruhige, so unbewegliche Land. Seine Kultur, seine Religion, seine Kunst schienen so starr, so regungslos zu sein, wie die große Pyramide von Osiris Chufu. War sie vielleicht sogar ein Symbol für die Bewegungslosigkeit, die Unbewegbarkeit Ägyptens?
    Diesen Gedanken hing ich nach, während die Umrisse Echnatons kleiner und kleiner wurden. Der Palast und das Gempa-Aton erschienen mir jetzt so groß, wie das Modell, das Echnaton einst von ihnen angefertigt hatte. Dann fuhr unser Schiff in den großen Bogen ein, welchen der Fluss im Norden von
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