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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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Vasallen Ägyptens, aber die Lanzen Pharaos wurden nicht gegen die Feinde erhoben, das Schwert nicht gegen sie gerichtet. So sandten die Freunde von einst immer wieder, Tag für Tag ihre Boten, doch von Tag zu Tag wurden die Boten wie die Freunde weniger.
    Aber jetzt, im siebzehnten Jahr der Herrschaft Echnatons, brachten sie etwas nach Ägypten mit. Es waren keine Geschenke, kein Gold, keine Tiere und keine Prinzessinnen, sondern eswar die schrecklichste Gabe, die sie an den Nil bringen konnten: Es war die Pest.
    Aper-el und Mahu ließen unverzüglich alle Grenzen schließen und aufs Strengste kontrollieren, doch war die Pest einmal im Land, vermochte sie keiner in ihrem Wüten mehr aufzuhalten. Stadt für Stadt entsandte ihre Boten mit der Schreckensnachricht zu Pharao. Doch auch sie brachten nicht nur die schlimme Kunde mit, sondern meist auch den Anlass ihrer Reise, die Pest selbst.
    Echnaton fürchtete so sehr um Tutanchaton, das Liebste, das ihm neben seiner Tochter Meritaton geblieben war, dass er beschloss, den fast fünfjährigen Knaben in Sicherheit bringen zu lassen.
    «Wenn ich diesen Schrecken nicht überlebe, wirst ohnehin du für ihn die Verantwortung tragen», sagte Echnaton zu mir und zupfte dabei liebevoll an der schwarzen Jugendlocke, dem geflochtenen, am unteren Ende gebogenen Zopf, der von der rechten Hälfte des ansonsten kahlen Kopfes herabhing.
    «Nimm Tutanchaton und Mutnedjemet mit dir, und bringe sie in die Oase Fajum, in den Palast von Merwer. Es ist zur Zeit der einzige Ort Ägyptens, der von der Pest verschont geblieben zu sein scheint.»
    Wir sahen uns lange schweigend an. Denn Echnaton wusste genauso gut wie ich, dass der Abschied, welcher uns bevorstand, auch ein Abschied für immer sein konnte.
    «Selbst jetzt willst du noch hier ausharren?», fragte ich ihn vorsichtig und kannte doch selbst die Antwort nur zu gut. Echnaton lächelte mich an. Sein Lächeln zog seine wulstigen Lippen weit auseinander, es zeigte mir seine großen weißen Zähne und machte seine Augen groß und leuchtend.
    «Du wirst wohl nie aufgeben, alter Freund? Wie schwach seid ihr doch alle! Ist es wirklich so schwer, das Wort, das man einmal gegeben hat, zu halten? Ich werde Achet-Aton nicht verlassen. Heute nicht und morgen nicht.»
    Sein Lächeln ließ nicht nach, obwohl seine Worte eher düster klangen.
    «Nun geh und bereite alles vor! Ich will, dass ihr morgen noch vor Sonnenaufgang abreist. Die Zeit drängt.»
    So überstürzt wie diesmal, wie ein Flüchtling, hatte ich noch nie mein Haus verlassen. Aber was war es anderes als eine Flucht?
    Nur mein Diener Ipu und eine Dienerin Mutnedjemets begleiteten uns. Ehe wir selbst an der Anlegestelle vor dem Palast eintrafen, war bereits das Wenige, das wir in aller Eile zusammengepackt hatten, auf der königlichen Barke verladen. Pharao erwartete uns bereits. Er trug nur ein einfaches Nemes-Kopftuch, einen schweren Schulterkragen, seinen langen, gefältelten Schurz und einfache Ledersandalen. So kannte ich ihn, bevor er von Nimuria zum Mitregenten gekrönt wurde.
    «Ihr nehmt mein Schiff!», sagte Echnaton bestimmt, als wollte er von vornherein Einwände vermeiden.
    «Damit lässt man euch wenigstens in jeden Hafen entlang des Flusses einlaufen. Du solltest davon aber nur im Notfall Gebrauch machen. Ihr habt reichlich Wasser aus sicheren Brunnen Achet-Atons an Bord und mehr als genug zu essen.»
    Die Überlegtheit und die Fassung, mit welcher Echnaton trotz der bevorstehenden Trennung von seinem Sohn zu mir sprach, überwältigten mich.
    «Deinem Haus wird kein Schaden geschehen. Dafür trage ich Sorge. Du wirst alles so vorfinden, wie du es heute verlassen hast. Wirst du auf meinen Sohn aufpassen?», fragte er jetzt Mutnedjemet.
    «Ja, Majestät», sagte meine Tochter und verneigte sich schüchtern, als ob sie zum ersten Mal vor Pharao gestanden hätte.
    «Lass das mit der Majestät, mein Kind!»
    Echnaton beugte sich etwas nach vorn und küsste Mutnedjemet auf beide Wangen. Dann wandte er sich wieder mir zu: «Kannst du den Sonnengesang auswendig?»
    «Sicher. Jedes Wort», antwortete ich knapp.
    «Wir werden es mit unseren Briefen halten, wie es einst mein Vater mit dir gehalten hat, als du in Babylon weiltest. In meinem ersten Brief wirst du die erste Zeile aus dem Sonnengesang finden, im zweiten Brief die letzte, dann die zweite Zeile, dann die vorletzte und so weiter. Du fängst mit der letzten Zeile an. Botschaften, die sich nicht an diese Regel halten, sind
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