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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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verbannen, als hätte es ihn nie gegeben. Damit ihn keine Hand mehr erfühlen, keine Auge ihn oder seinen Namen mehr erkennen konnte, ließ er seine Figuren zerstören und überall dort, wo man seiner habhaft werden konnte, den Namen Amuns herauskratzen, aushacken oder überstreichen. Heerscharen von Steinmetzen zogen landauf, landab, und tilgten an den Wänden der Tempel und ihrer Tortürme, an jedem Gebäude und selbst auf den Spitzen der Obelisken die Schriftzeichen Amuns.
    Der Hass Echnatons und Nofretetes ging so weit, dass an jedem Bauwerk und an jeder Statue meines Freundes Ameni und seiner Vorgänger gleichen Namens die Schriftzeichen für «Amenophis» getilgt werden mussten, war doch der Name des Verborgenen ein Bestandteil dieses Namens. Ich vermochte mir vorzustellen, dass Pharao seinen Gott zum Einzigen erhoben und alle anderen Götter geleugnet hatte. Ich verstand, dass er in Folge dessen ihre Tempel geschlossen und ihre Verehrung verboten hatte. Ich konnte sogar seinen heiligen Eifer verstehen, vor allem den Namen Amuns tilgen zu lassen. Doch die vollständige Tilgung des Namens seines von allem Volk so geliebten Vaters Amenophis kam einer Vernichtung des Andenkens an ihn gleich, der schlimmsten Strafe, die für einen Ägypter über den Tod hinaus vorstellbar war. Von Kindheit an hatte mich der Name meines Freundes ein Leben lang schützend begleitet. Jetzt fiel er der grenzenlosen Rachsucht und dem heiligen Wahn seines Sohnes anheim. Ja, es war wahrhaftig ein Wahn!
    Dennoch schwieg ich.
     
    Welch schlimme Jahre der Verfolgung und Verleumdung waren jetzt über Ägypten gekommen! Es war die Zeit der Schmeichler und Emporkömmlinge, der Verräter und der Habgierigen. Es war die Zeit derer, die aus Angst vor Verrat und Verfolgung die Figuren der alten Götter versteckten oder zerstörten. In prahlerischem Gehorsam kratzten manche aus den Gedenksteinen ihrer verstorbenen Vorfahren, dort, wo es jedermann sehen konnte, die drei Schriftzeichen des verfemten Gottes heraus und taten es so den Steinmetzen Pharaos gleich. Wie viele Ängstliche gab es und wie viele, die, um zu schmeicheln, ihre Namen änderten. Wehe jenen, die einst die ruhmvollen Namen Amenophis trugen und ihn jetzt schamhaft leugneten!
    «Amun ist zufrieden» hießen sie einst, und nannten sich jetzt Paatonemhab, Merire oder Ramose, damit sie wenigstens vom Sonnengott Re geliebt oder vernehmbar dessen Söhne waren. Wie viel Mut musste man jetzt aufbringen, um weiterhin Ptahmose, Nacht-Min oder Sobekhotep zu heißen! Wie froh konnte ich doch sein, dass ich den einfachen Namen Eje trug!
    Echnaton vermied jetzt das Wort «Gott» gänzlich, selbst in Beziehung auf Aton, denn es war nicht eine Gottheit im bisherigen Sinne, die er verehrte, sondern vielmehr eine Wahrheit: Die Macht der Sonne, die sich in Licht und Zeit, in Strahlung und Bewegung offenbarte. Durch ihre Bewegung bringt die Sonne die Zeit und durch ihre Strahlung das Licht und somit die ganze sichtbare Welt hervor.
    Die Wahrheit, die von der lebendigen Sonne ausging, bestand nicht in Regeln und Gesetzen, nicht in mythischen Geschichten und auch nicht in Zauber. Die Wahrheit seines Glaubens bestand in der Erkenntnis, dass alles, was auf dieser Welt geschah, auf das Wirken von Licht und Zeit, auf das Wirken Atons, der Sonnenscheibe, zurückzuführen sei. Weil Echnaton glaubte, in Aton die einzige, die letzte Wahrheit gefunden zu haben, durfte er daneben keine andere Wahrheit und damit letztlich keine anderen Götter dulden. Aton war nicht Gott, er war die Macht,die für den Erhalt alles Seins verantwortlich war. Es gab nur ein einziges Wesen, das im Grunde eine göttergleiche Verehrung erfuhr: Echnaton selbst.
    Aton als die alles lenkende Macht, als die Wahrheit an sich, bedurfte keiner Feste, wie sie zu Ehren der alten Götter gefeiert wurden. Die Schließung der alten Tempel ließ die meisten Ägypter unberührt, denn über den ersten Vorhof, in welchem die Opfergaben an die Priester übergeben wurden, kamen die wenigsten hinaus. Aber sie sahen die Disteln und Brennnesseln, die jetzt aus den Fugen und Ritzen der Tempelmauern wucherten. Sie sahen den Sand, der sich vor den einst so prächtigen Tempeltüren ansammelte, und sie sahen, dass sich die Schwalben jetzt an den Tempelmauern Nester bauten, wo man sie früher nie geduldet hätte.
    Bei den Prozessionsfesten hatten die Menschen früher die Nähe des Gottes für einen Augenblick erahnt, etwa wenn zum Opetfest die Statuen von Amun,
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