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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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Achet-Aton bildet, indem er sich dem Westen zuwendet, um kurz darauf wieder gerade nach Norden zu führen. Ein letztes Mal sahen wir auf Achet-Aton, das jetzt im Glanz der gerade aufgegangenen Sonne rotgolden glühte, und Tutanchaton sagte mir, dass sein Vater noch immer winkend auf der Anlegestelle stand. Ich legte meine Hand auf die linke Schulter des vor mir stehenden Knaben, denn mit der Rechten winkte auch er noch immer, und ich sagte zu ihm: «Du wirst sehen, Tutanchaton, wir sind früher wieder in Achet-Aton, als du glaubst. Die Zeit wird wie im Flug vergehen. Ich kenne das.»
    Dann drehte der Knabe seinen Kopf kurz nach hinten und fragte mit ernstem, ungläubigem Gesicht: «Bist du denn schon einmal geflogen?»
    «Nein, Tutanchaton! Kein Mensch kann fliegen! Das ist nur eine Redensart. Das erkläre ich dir später.»
    Tutanchaton schien beruhigt, dass auch ich nicht fliegen konnte, und wandte sich wieder der Stadt zu, die jetzt nach und nach hinter den Felsen, die wir gerade umfuhren, verschwand.
     
    Ich hatte die Warnung Echnatons ernst genommen und ließ unser Schiff, ohne auch nur einmal an Land zu gehen, bis nahe Maimun durchfahren. Abends legten wir nur in menschenleeren Gegenden an, um jede Berührung mit Pestkranken auszuschließen. Südlich der Stadt Maimun legten wir während der größten Mittagshitze an, denn nur so hatte ich die Gewähr, dass so wenig Menschen wie möglich unseren Weg kreuzten.
    Einem ebenso überraschten wie bockigen Viehhändler musste ich erst den Ring Pharaos zeigen und anschließend über Gebühr viel Gold geben, damit er uns seine zwölf Esel überließ. Ich wollte vermeiden, die Stadt zu betreten, also musste ich mich der Habgier dieses Unterägypters beugen. Für das Gold, das ich ihm gab, konnte er sich wenigstens sechzig neue Esel kaufen.
    Tutanchaton genoss den Ritt auf dem Grautier sichtlich, und ich war erstaunt, wie schnell sich der Knabe auf das Reiten verstand. Wir zogen bis tief in die Nacht hinein bis nahe der Stadt Lahun, lagerten aber weit abseits, denn auch hier sollte uns niemand bemerken. Ohne Ansehen der Person schliefen auch der Prinz, Mutnedjemet und ich in den einfachen Zelten der Soldaten. Tutanchaton schloss zufrieden die müden Augen, und schon im gleichen Augenblick schlief er tief und fest. Kurz nach Sonnenaufgang zogen wir am anderen Tag weiter und standen schließlich, nach einer weiteren Nacht im Freien, am Vormittag des dritten Tages vor den Toren des alten Palastes von Merwer.
    Mir war, als hätte hier die Zeit seit den Tagen der Pharaonen Sesostris Cheper-ka-Re und Amenemhet Ni-maat-Re, den großen Förderern des Fajum, also seit weit mehr als fünfhundertJahren, stillgestanden. Die Mauern und die Säulen des Palastes waren dick und plump; seine Decken hingen niedrig und wirkten auf den Betrachter bedrohlich.
    Der Garten des Palastes war aber noch immer einer der schönsten, den ich je in meinem Leben gesehen hatte. Alt waren seine Bäume, sehr alt, und einige von ihnen hatten gewiss noch die Gärtner Sesostris’ gepflanzt. Hier herrschte Ruhe. Hier herrschte Gelassenheit und Friede. Nicht einmal der Tempel des Sobek war geschlossen. Selbst der Eifer Echnatons hatte dieses altehrwürdige Heiligtum einfach vergessen. Aber das Fajum schien mir der rechte Ort, um einen Knaben wie Tutanchaton groß werden zu lassen.
    Und hier gab es den vielgerühmten Frauenpalast.
    «Min und Hathor geben dir keinen Tag zurück, wenn du alt bist und dich daran erinnerst, welche Freuden du ausgelassen hast», hatte Amenophis zu mir gesagt, als wir nach dem Tod Merits für einige Zeit hier lebten und er mich mithilfe einiger junger Mädchen aus der Trübsal ins Leben zurückholte. Nie werde ich diesen Satz vergessen. Nur: Damals zählte ich gerade dreiundzwanzig Jahre. Es waren wohl die Großmütter der Mädchen von heute, die mich einst hier verwöhnt hatten.
     
    Tutanchaton schien nicht wahrzunehmen, dass wir hier in einer anderen Zeit und in einer anderen Welt lebten. Ein Kinderauge stört es offenbar nicht, ob eine Säule dick und gedrungen oder schlank wie das Bein eines jungen Mädchens ist. Es misst der Höhe einer Decke oder der Stärke einer Mauer keine Bedeutung bei. Es weiß auch nicht, ob die Bilder, die es sich an den Wänden der Paläste und der Tempel ansieht, zeitgemäß sind oder nicht. Der kindliche Betrachter fragt nur nach ihrer Bedeutung.
    So lebten wir in der Stille und der Abgeschiedenheit dieses Ortes ein Leben, wie wir uns früher das
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