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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum
Autoren: Raymond Khoury
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PROLOG
    Akkon, Lateinisches Königreich Jerusalem, 1291
    Das Heilige Land ist verloren.
    Dieser eine Gedanke bestürmte Martin de Carmaux unablässig; in seiner brutalen Endgültigkeit war er noch fürchterlicher als
     die Horden, die durch die Bresche in der Mauer hereindrängten.
    Mit aller Macht schob er den Gedanken beiseite.
    Jetzt war nicht die Zeit zum Klagen. Er hatte wichtigere Aufgaben.
    Er musste töten.
    Mit hoch erhobenem Schwert stürmte er vorwärts durch dichte Wolken von Qualm und Staub und stürzte sich in die wogenden Reihen
     der Feinde. Sie waren überall, hackten und hieben unter gellendem Kampfgeschrei mit Krummsäbeln und Äxten um sich, begleitet
     vom quälend monotonen Dröhnen der großen Kesselpauken vor den Festungsmauern.
    Er ließ sein Schwert mit aller Kraft niedersausen, spaltete einem Mann mit einem einzigen Hieb den Schädel und riss die Klinge
     sogleich zurück, um sich auf den nächsten Gegner zu stürzen. Zu seiner Rechten erblickte er Aimard deVilliers, der einem anderen Angreifer gerade seine Waffe in die Brust trieb und sich umgehend dem nächsten Feind zuwandte.
     Ganz benommen vom Schmerz- und Wutgeheul um sich herum, spürte Martin plötzlich, wie jemand seine linke Hand packte. Hastig
     stieß er den Angreifer mit dem Schwertknauf weg und hieb dann auf ihn ein, spürte, wie seine Klinge durch Muskeln und Knochen
     drang. Aus dem Augenwinkel nahm er rechts von sich eine drohende Gefahr wahr, er parierte instinktiv mit einem Schwerthieb,
     der einem weiteren Eindringling auf einen Streich den Arm abtrennte, die Wange aufschlitzte und die Zunge abschnitt.
    Seit Stunden war ihm und seinen Gefährten keine Ruhe vergönnt gewesen. Der Ansturm der Sarazenen kannte keine Pause, und er
     war weitaus heftiger als erwartet. Tagelang waren unablässig Pfeile und Geschosse mit brennendem Pech auf die Stadt niedergeprasselt
     und hatten mehr Brände verursacht als bekämpft werden konnten; gleichzeitig hatten die Männer des Sultans Löcher unter den
     mächtigen Mauern gegraben, sie mit trockenem Reisig gefüllt und dieses ebenfalls in Brand gesteckt. An mehreren Stellen waren
     die Mauern durch die Gluthitze rissig geworden und stürzten jetzt unter dem Beschuss der mächtigen Steinkatapulte ein. Durch
     schiere Willenskraft war es den Templern und Johannitern gelungen, den Angriff am Antoniustor zurückzuschlagen, das sie zur
     Deckung ihres Rückzugs am Ende in Brand stecken mussten. Das hatte den rasenden Sarazenen Zugang in die Stadt verschafft,
     deren Schicksal damit besiegelt war.
    Das Todesröcheln seines Gegners ging im allgemeinen Schlachtgetöse unter, als Martin sein Schwert zurückriss undverzweifelt nach irgendeinem Zeichen der Hoffnung Ausschau hielt. Aber es konnte keinen Zweifel geben: Das Heilige Land war
     verloren. Sie alle würden tot sein, tot, noch ehe die Nacht um war. Sie standen der größten Streitmacht aller Zeiten gegenüber,
     und trotz des Zorns und der Leidenschaft, die in ihm loderten, waren seine Anstrengungen und die seiner Brüder zum Scheitern
     verurteilt.
    Zu dieser Einsicht gelangten bald auch seine Befehlshaber. Mutlosigkeit befiel ihn, als er das schicksalhafte Hornsignal vernahm,
     das die überlebenden Tempelritter aufrief, die Verteidigung der Stadt aufzugeben. Seine fieberhaft umherwandernden Blicke
     trafen sich mit denen von Aimard de Villiers. Er las darin die gleiche Qual, die gleiche Scham, die auch in ihm brannten.
     Seite an Seite kämpften sie sich durch das brodelnde Schlachtgetümmel hindurch, bis sie sich in die einigermaßen sichere Templerfestung
     gerettet hatten.
    Martin folgte dem älteren Ritter, der sich energisch einen Weg durch das Gedränge verängstigten Volkes bahnte, das Zuflucht
     hinter den dicken Mauern der Burg gesucht hatte. Der Anblick, der sie in der großen Halle empfing, versetzte ihm einen schlimmeren
     Schock als das Gemetzel, dem er draußen beigewohnt hatte. Ausgestreckt auf einem groben Refektoriumstisch lag Guillaume de
     Beaujeu, der Großmeister der Tempelritter. Pierre de Sevrey, der Marschall, stand zusammen mit zwei Mönchen bei ihm. Ihre
     bekümmerten Mienen sprachen Bände. Als die beiden Ritter herangetreten waren, schlug Beaujeu die Augen auf und hob leicht
     den Kopf, eine Bewegung, bei der er vor Schmerz unwillkürlich aufstöhnte. Martin starrte ihn erschüttert an. Die Haut des
     alten Mannes war aschfahl, er hatte blutunterlaufene Augen.Martins Blick wanderte an Beaujeus Körper hinab
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