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Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Titel: Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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Madame?“ fragte ich die Hebamme.
    „Den drüben auf der anderen Seite, gegen Montazel?“
    „Genau den, dort findet Ihr Osterluzei in rauen Mengen!“
    Die Osterluzei ist eine schon den alten Ägyptern und Griechen bekannte Heilpflanze, die geburtserleichternd wirkt. Saunière hatte mir ihren Namen erklärt: Aristolochia clematitis . Ariston bedeutet das Beste , locheia Geburt, das Beste also für Geburten.“
    Oben angekommen, sah ich Boudets Gig ausgespannt vor dem Pfarrhaus stehen. Über den Wagen war eine alte Ölplane gebreitet. Offenbar war Antoine wieder aus Esperaza zurück. Ich warf einen kurzen Blick in den Stall und sah Boudets Pferd neben Saunières temperamentvollem Rotfuchs „Monsignore“ stehen. In Saunières Arbeitszimmer brannte Licht. Von den Männern jedoch war kein Laut zu hören. Nachdem ich mich umgezogen, meine Haare trockengerieben und wieder aufgesteckt hatte, setzte ich Kaffeewasser auf und schnitt die Brioche, die ich gestern gebacken hatte, in Scheiben. Dann stellte ich alles auf ein Tablett und trug es die Treppe hoch. Als ich an die Tür klopfte, hörte ich nur ein undeutliches „Herein“. Die Priester saßen mit hochroten Köpfen über den Pergamenten und blickten – wie ihre beiden Pferde – nicht einmal auf, als ich eintrat. Wie sah es nur in diesem Zimmer aus? Überall lagen Bücher herum, mitten auf dem Tisch thronte die Heilige Schrift, die wertvolle, lederne, mit dem goldenen Verschluss. Auf dem überzähligen Stuhl und sogar auf den Dielen lagen halbbeschriebene oder zusammengeknüllte Blätter. Was trieben die beiden nur?
    „Meine Herren, ich bringe Ihnen den Kaffee!“ rief ich fröhlich, um sie auf mich aufmerksam zu machen, und zerrte die bestickte Tischdecke zurecht, die auf der einen Seite schon halb zu Boden hing.
    „Bitte, Marie“, brummte Saunière, das vertrauliche Marinette vermeidend, „lass die alberne Decke in Ruhe, und geh wieder nach unten. Wir bedienen uns selbst.“
    Den ganzen Abend saß ich in der Küche und wartete. Der Regen trommelte jetzt unablässig auf das Dach des Stalls. Das laute Geräusch machte mich nervös. Ich dachte an das Gold, das ungeahnte Möglichkeiten versprach – und noch etwas spukte mir in dieser Nacht im Kopf herum: das angekündigte Gespräch. Hin und wieder fielen mir die Augen zu vor Müdigkeit, dann schreckte ich hoch. Amüsiert dachte ich wie Großmutter, wenn sie sich am Abend ans Spinnrad setzte, meist innerhalb kürzester Zeit eingenickt war. Ihr Kopf mit dem schwarzen Tuch war dabei nach vorne gefallen und ein kleiner Schnarcher ihrer Kehle entschlüpft. Rüttelten wir Kinder sie sanft am Arm und riefen: „Großmutter, wach auf!“, so fuhr sie zusammen und leugnete alles. Dann fing sie an, rasch weiterzuspinnen, um das Versäumte nachzuholen. Es hatte jedoch stets nur kurze Zeit gedauert, bis sie erneut eingenickt war. Als es auf Mitternacht zuging, gab ich auf. Ich schnitt Brot und Schinken in Scheiben, stellte alles auf den Tisch, Butter dazu und einen Krug Rotwein und ging zu Bett.
    Am nächsten Morgen war alles aufgegessen, der Krug verschwunden. Sicher schlafen die Männer noch, dachte ich und bemühte mich, meine Hausarbeit so lautlos wie möglich zu verrichten. Bevor ich mit dem Kochen anfing – ich weiß noch, dass ich an diesem Tag ein Cassoulet zubereitete -, lief ich rasch hinauf ins Arbeitszimmer, um das Kaffeegeschirr vom Vortag zum Spülen herunterzuholen. Dort fand ich die beiden, vornübergebeugt auf dem Tisch, friedlich schnarchend, die Köpfe auf ihren angewinkelten Armen und diese auf den Büchern. Beinahe wäre ich über ihre Stiefel gestolpert, die sie irgendwann ausgezogen, aber beileibe nicht zur Seite geräumt hatten. Der Krug mit dem Roten war leer. Neugierig trat ich näher und warf einen Blick auf die alten Pergamente, die in der Mitte des Tisches lagen, als ich aber einsah, dass ich mit all den diffusen Zahlen und Ziffern darauf ganz und gar nichts anfangen konnte, schlich ich mich wieder hinaus und machte mich daran, das eingelegte Entenfleisch in mundgerechte Stücke zu schneiden, damit es anschließend zusammen mit den Bohnen köcheln konnte.
    Dabei dachte ich an Barthélémy, von dem ich vorgestern einen Brief bekommen hatte. Juliette stand wohl, wegen ihres fortgeschrittenen Alters, eine schwierige Geburt bevor. Die Schwiegereltern und auch er selbst, seien äußerst beunruhigt, weil der Arzt vor einigen Tagen bedenklich den Kopf geschüttelt und gemeint habe, dass das Kind
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