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Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet

Titel: Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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Offensichtlich hatte sie Schweres durchgemacht. Vielleicht hatten die Freunde ihres Vaters auch sie missbraucht, und sie hatte die schreckliche Tat nur verdrängt.
    Während Pielkötter ihr Profil betrachtete, blickte sie stumm aus dem Fenster. Zweifellos würde sie so ziemlich jedem jungen Mann gefallen, aber er war sicher, dass sie keinen Anwärter an sich heranließ.
    »Ihre Schwester war heute auch schon hier«, fuhr Pielkötter fort. »Sie hat ausgesagt, dass Sie sich wegen psychischer Probleme in therapeutischer Behandlung befinden.«
    Sina Gabrillani wich seinem Blick aus und schwieg.
    »Vielleicht möchten Sie jetzt doch einen Kaffee?«
    »Privates geht Sie nichts an«, erwiderte sie, ohne auf sein Angebot einzugehen.
    »So pauschal darf man das nicht sagen«, hielt Pielkötter dagegen. »Immerhin können solche Probleme durchaus in Beziehung zu einer Straftat stehen.«
    »Aber nicht bei mir.« Seltsamerweise klang ihre Stimme nun zum ersten Mal relativ fest.
    Pielkötter hatte darüber nachgedacht, ob Pädophile sich gleichzeitig für Jungen wie auch für Mädchen interessieren konnten. Aber wahrscheinlich hatte sich Hartmut Gabrillani in seiner Jugend noch nicht festgelegt. Als Erwachsener hatte er immerhin drei Kinder gezeugt. Um hinter das dunkle Geheimnis zu kommen, würde er Sina Gabrillani wohl ganz gezielt danach fragen müssen. »Ich schätze, Ihre Probleme hängen mit Ihrem verstorbenen Vater zusammen«, begann Pielkötter noch ein wenig vorsichtig, wobei er sie intensiv beobachtete. Dann wurde er deutlich: »Hat Ihr Vater Sie jemals in irgendeiner Form missbraucht?«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Stumm liefen sie an ihren Wangen hinunter, um schließlich auf die kleine Lederhandtasche zu tropfen, die sie auf ihrem Schoß umklammert hielt.
    In was für einem Sumpf rühre ich hier nur herum, dachte Pielkötter, den sonst so schnell nichts erschüttern konnte.
    Plötzlich vernahm er ein leises »Nein«.
    »Wie bitte?«
    »Nein, er hat mich nicht missbraucht«, erklärte Sina Gabrillani nun etwas lauter, während weiter Tränen aus ihren Augen quollen.
    »Aber irgendetwas hat er doch getan. Sonst würden Sie doch ganz anders reagieren«, erwiderte Pielkötter irritiert.
    »Ich habe ihn mit einer fremden Frau erwischt«, fuhr sie fort. »Zu der Zeit hat meine Mutter einige Tage bei meiner kranken Oma verbracht. Mitten in der Nacht bin ich mit Bauchschmerzen aufgewacht und zu meinem Vater ins Schlafzimmer geschlichen. Ich wollte ihn wecken, aber er war nicht allein. Er hat mein Kommen nicht einmal bemerkt. War zu beschäftigt mit dieser Frau.«
    »Zugegeben, das war bestimmt ein Schock für Sie«, bemerkte Pielkötter, »trotzdem leuchtet mir Ihre Reaktion nicht ganz ein.«
    »Sie finden sie überzogen?«
    »In gewisser Weise schon«, erwiderte er, obwohl er nicht sicher war, ob er damit klug gehandelt hatte.
    »Wahrscheinlich wäre alles auch im Rahmen geblieben, hätte ich meiner Mutter nicht davon erzählt.« Plötzlich schluchzte Sina Gabrillani laut auf. »Drei Tage später hat sie sich das Leben genommen. Dafür habe ich meinen Vater verantwortlich gemacht. Aber ich habe mir selbst auch die Schuld gegeben, das ist mir in dem letzten Gespräch mit meinem Therapeuten klargeworden.«
    »Ich denke nicht, dass Sie sich schuldig fühlen müssen. Womög­lich war Ihre Mutter schon vorher seelisch krank. Vielleicht ist Ihr Vater häufig fremdgegangen, und sie wusste alles. Womöglich hat ihr auch die Krankheit der eigenen Mutter zugesetzt. Und Sie waren doch noch ein Kind, konnten mögliche Konsequenzen gar nicht absehen.«
    Sina Gabrillani wischte sich einige Tränen aus den Augen.
    »Falls Sie nichts mehr mit mir besprechen möchten, dürfen Sie jetzt gehen«, bot Pielkötter an.
    Nachdenklich beobachtete er, wie Sina Gabrillani sich erhob und fast lautlos aus seinem Büro verschwand. Das Leben dieser Familie hat wohl nie unter einem guten Stern gestanden, dachte er mit Bedauern. Warum hatte niemand die fatale Verkettung unglücklicher Umstände und Schuld durchbrochen?

    Sina Gabrillani hatte erst wenige Minuten den Raum verlassen, da schlich Barnowski ins Büro. Offensichtlich war er in seinen Bewegungen noch etwas eingeschränkt.
    »Wollen Sie zuerst die gute oder die schlechte Nachricht?«, fragte er, ohne erkennbare Absicht, die Antwort abzuwarten. »Stellen Sie sich vor, auf Liebermanns privatem Computer haben wir kinderpornografisches Material gefunden. Wobei eine Szene tatsächlich den
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