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Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet

Titel: Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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selbst offensichtlich am meisten darunter.
    »Ich möchte wirklich Ihr Motiv verstehen«, versuchte Pielköt ter es ein weiteres Mal. »Bei Ihnen ist doch nicht einfach eine Si che­rung durchgebrannt. Irgendetwas muss Sie zu den Taten veranlasst haben.«
    »Mein ganzes Leben haben mich Ängste gequält«, antwortete Gabrillani zu Pielkötters Erstaunen. »Mein ganzes verpfuschtes Leben lang. Obwohl ich gelernt habe, das sehr gut zu überspielen, denke ich. Nicht einmal meine Schwestern haben etwas davon mitbekommen.« Er stieß einen Laut aus, der entfernt an ein Seufzen erinnerte. »Ich hatte sogar Panik, zum Arzt zu gehen. Dabei wusste ich nicht einmal, warum und wovor ich eigentlich solche Angst hatte.«
    »Aber dann ist Ihnen der Grund mit einem Mal aufgegangen«, sagte Pielkötter.
    Thomas Gabrillani starrte erneut vor sich hin, als hätte er ihn nicht verstanden.
    Pielkötter wiederholte den Impuls.
    »Auslöser war ein Gespräch mit meinem Vater«, erklärte er. »Vater hatte Krebs im Endstadium, er wusste, dass er bald sterben würde.« Nachdenklich trank er den Rest des Kaffees. »Ei gentlich haben wir nie richtig gestritten. Trotzdem war unser Verhältnis nicht wirklich gut. Nachdem ich ausgezogen war, habe ich ihn jedenfalls äußerst selten besucht. Erst als das Krankenhaus mich angerufen hat, bin ich sofort zu ihm gegangen.«
    Thomas Gabrillani schien die Wand nach irgendetwas Unauffindbarem abzusuchen, Pielkötter ließ ihn gewähren.
    »Dieses Gespräch werde ich nie vergessen«, fuhr Gabrillani schließlich mit selten tonloser Stimme fort. Sein Blick pendelte unstet zwischen Pielkötter und der gegenüberliegenden Wand hin und her. »Mein Vater hat auch nicht lange herumgeredet. Hat mir direkt erklärt, wie es um ihn stand. Wenige Wochen Leben hat er sich noch gegeben. Hatte an dem Tag ganz bewusst kaum Schmerzmittel verlangt, weil er bei diesem Gespräch klar bei Verstand sein wollte.« Während Gabrillani schwieg, starrte er auf den Boden.
    »Aber der Zustand Ihres Vater war sicher nicht das Einzige, was Sie bei diesem Besuch so mitgenommen hat«, erwiderte Pielkötter nach einer Weile.
    »Er hat mir erklärt, er könne nicht sterben, bevor er der Wahrheit ins Auge gesehen habe.« Unerwartet fing Thomas Gabrillani an zu weinen wie ein kleines Kind. Pielkötter fühlte sich zum ersten Mal bei einer Vernehmung ein wenig überfordert. »Welche Wahr heit?«, fragte er, weil er nicht wusste, wie er sonst reagieren sollte.
    »Mein Vater hat mich gefragt, was damals an dem Tag passiert ist, als er mich bei seinem alten Freund Cornelius abgeliefert hat.«
    »Abgeliefert?« Pielkötter wirkte irritiert.
    »Vielleicht hat er auch ein anders Wort dafür benutzt«, brachte Gabrillani mühsam hervor. »Jedenfalls hatte mein Vater einen dringenden Geschäftstermin in Norddeutschland und musste die Nacht auswärts verbringen. Meine Mutter war da schon eine Zeit lang tot. Also hat er meine beiden Schwestern bei einer Nachbarin untergebracht. Leider konnte sie keine drei Kinder aufnehmen. Und so hat Vater mich bei seinem Freund Cornelius abgeliefert.«
    »Noch Kaffee?«, unterbrach Pielkötter schließlich ein weiteres langes Schweigen.
    »Nein danke«, antwortete Gabrillani mit verdächtigem Glanz in den Augen. »Ich erinnere mich sehr gut an die Fahrt dorthin, die Vater nicht recht zu behagen schien. Eigentlich hat mich das gewundert. Immerhin war Cornelius Hamacher damals in unserem Haus ein offenbar gern gesehener Gast.«
    »Ihr Vater hatte sicher seine Gründe.«
    »Ja, aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich das natürlich noch nicht«, erwiderte Gabrillani mit versteinertem Gesicht. »Kurz nachdem mein Vater mich zu seinem Freund gebracht hat, ist er losgefahren.« Sein Redefluss stockte.
    »Und dann?«, frage Pielkötter ungeduldig.
    »Ich weiß noch, dass ich dort zu Abend gegessen habe. Hinterher war ich furchtbar müde und Onkel Cornelius, so habe ich ihn damals wirklich genannt …« Thomas Gabrillani lachte ein seltsam verunglücktes Lachen. »Scheinbar fürsorglich hat er mich ins Gästezimmer gebracht. Daran, was kurz danach geschehen ist, konnte ich mich zwischendurch nicht mehr erinnern. Die Verdrängung hat über lange Zeit gut funktioniert.«
    »Aber inzwischen wissen Sie wieder, was später geschehen ist«, stellte Pielkötter mit ernster Miene fest.
    »Allerdings«, stieß Gabrillani hervor, während er von seinem Stuhl hochsprang. »Mitten in der Nacht bin ich plötzlich vor Schmerzen aufgewacht.
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