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Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet

Titel: Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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hatten einen ganz anderen Grund.«
    »Und der wäre?«
    »Sie wollten verhindern, dass jemand das Motiv des Mörders erfährt«, rief Pielkötter aufgebracht. »Gezielt haben Sie es darauf angelegt, die Person, die Ihrem Ruf schaden könnte, zu ermorden. Haben den Mörder angelockt. Ihm vorgegaukelt, nackt und wehrlos unter der Dusche zu stehen. Deshalb die abgelegte Kleidung auf dem Boden. Deshalb standen Sie in abgespeckter Montur neben dem Wasserstrahl. Oder haben Sie eine bessere Erklärung dafür, warum Sie in Unterwäsche duschen? Nicht zu vergessen mit Jagdgewehr.«
    Pielkötter beobachtete Liebermanns Mimik. Seine Unterlippe vibrierte kurz. An seinem Hals trat eine hässliche Ader hervor. Sein eigener Puls dagegen beruhigte sich langsam wieder.
    »Nichts als wilde Spekulation«, platzte es schließlich aus Liebermann heraus.
    »Thomas Gabrillani muss äußerst wütend auf Sie und Ihre ehe maligen Spießgesellen gewesen sein. Die Wahl der Waffe lässt ei nen abgrundtiefen Hass erwarten. Und der kommt nicht von ungefähr. Wenn Sie mir darüber jetzt etwas erzählen, wirkt sich das sicher strafmildernd aus.« Tatsächlich dachte Pielkötter, dass es für derartige Täter keinerlei Milde geben dürfte.
    »Ich bin das Opfer und habe deshalb nichts zu gestehen!«
    »Opfer also, wie Cornelius Hamacher und Sebastian Lauterbach«, höhnte Pielkötter. »Warum haben Sie eigentlich nicht diesen Narbenkreis, der anscheinend alle ehemaligen Weggefährten aus dem Internat verbindet?« Nicht dass er ihn ernsthaft auf Liebermanns Brust erwartet hatte. Schließlich fehlte der Anfangsbuchstabe seines Namens in dem Kreis.
    »Da sehen Sie es doch, ich habe nicht viel mit denen gemein. Die haben sich das eingeritzt und geschworen, die anderen niemals zu verraten. Ich hatte mit der Sache nichts zu tun.«
    »Welcher Sache?«
    »Ich habe keine Ahnung, was sie mit den jüngeren Schülern angestellt haben.«
    »Wissen Sie, was ich denke?« Pielkötter kratzte mit der linken Hand an seinem Kinn herum. »Sie als Ältester waren der Drahtzieher. Standen über den Dingen, wollten sich nicht mit den anderen verbrüdern. Genau deshalb fehlt Ihnen der Narbenkreis. Womöglich hat Thomas Gabrillani Sie aus diesem Grund ganz zum Schluss im Visier gehabt. Vielleicht sollten Sie zusätzlich ungeheure Angst vor seiner Rache verspüren.«
    »Das sind doch alles Hirngespinste.«
    »In absehbarer Zeit wird Gabrillani wieder vernehmungsfähig sein«, erwiderte Pielkötter mit penetrantem Lächeln. »Und ich bin höchst gespannt auf seine Version.«
    »Ich habe immer nur zugeschaut«, schrie Doktor Liebermann plötzlich.
    »Wobei?«, fragte Pielkötter, als sein Gegenüber nach dem kurzen Ausbruch zu lange schwieg. Liebermann jedoch starrte nur stumm vor sich hin.
    Die Wahrheit kommt sowieso ans Licht, versuchte sich Pielkötter zu beruhigen. Auf jeden Fall würde er Liebermanns Haus so schnell wie möglich durchsuchen lassen. Selbst das Büro im Krankenhaus würde nicht verschont bleiben.

Mittwoch, 1. Juni  10:00 Uhr

    Thomas Gabrillani starrte die karge Wand des Vernehmungsraums an, als studierte er dort irgendwelche geheimen Zeichen. Inzwischen hatte er sich ganz gut von der Verletzung durch den eher harmlosen Streifschuss erholt. Pielkötter ließ ihn eine Zeit lang gewähren.
    »Kaffee?«, fragte Pielkötter schließlich, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
    Immerhin schwieg Gabrillani beharrlich und das schon seit quälenden Stunden.
    »Mit Milch bitte.«
    Zuerst dachte Pielkötter, er hätte sich verhört, aber dann goss er den Kaffee aus einer Thermoskanne ein, die er bereitgestellt hatte.
    »Es geht jetzt gar nicht mehr darum, Sie der Taten zu überführen«, erklärte Pielkötter, nachdem Gabrillani die Tasse halb leer getrunken hatte. »Die Beweislast wiegt schwer. Aber das wissen Sie selbst sehr genau. Ich möchte einfach Ihr Motiv verstehen. Das kann Ihnen nur mildernde Umstände verschaffen.« Den Tonfall von Pielkötters Stimme hatte Barnowski wahrscheinlich noch niemals gehört. Sowohl mit seinem Untergebenen als auch mit Verdächtigen ging er in der Regel ganz anders um. Thomas Gabrillani jedoch war für Pielkötter kein normaler Verbrecher. Thomas Gabrillani hatte in gewisser Weise sein Mitleid erregt, vielleicht sogar einen Hauch von Sympathie. Natürlich hatte er auf brutalste Art Rache geübt, was sicher bestraft werden musste, trotzdem hatte er seine Taten nicht idealistisch überhöht. Von den Lebenden jedenfalls litt er
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