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Im Feuer der Nacht

Titel: Im Feuer der Nacht
Autoren: Nalini Singh , Nailini
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jemand zu sein, der genau das tun würde. Deshalb hatte sie Abstand gehalten. Aber als er sich eines Tages im Hinterhof ihres Wohnblocks– eher ein Schrottplatz als ein Hof– ein Bein gebrochen hatte, hatte sie es nicht über das Herz gebracht, ihn dort alleine leiden zu lassen.
    Mit vor Angst klappernden Zähnen hatte sie das Wohnzimmer verlassen und war zum Telefon gegangen. Orrin hatte bewusstlos auf der Couch gelegen. Irgendwie war es ihr gelungen, trotz Verbots einen Anruf nach draußen zu machen und den Krankenwagen zu rufen. Dann hatte sie die Tür aufgeschlossen und war hinuntergelaufen, um bei Clay zu warten, bis Hilfe kam. Er war darüber nicht glücklich gewesen. Neun war er, für eine frühreife und sprachbegabte Dreijährige eine äußerst gefährliche Kreatur.
    „Du hast mich angefaucht, ich solle verschwinden, da es deine Lieblingsbeschäftigung sei, die Knochen von kleinen Mädchen zu zermalmen.“ Sie hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis und konnte sich an jeden Augenblick vom Moment ihrer Geburt an und sogar noch an einige Dinge davor erinnern. Deshalb hatte sie auch vor allen anderen sprechen gelernt, hatte schon gelesen, bevor sie sprechen konnte. „Du hast gesagt, ich würde wie eine süße, saftige Beute riechen.“
    „Tust du immer noch.“
    Trotz aller Vorsicht pfiff sie durch die Zähne. „Hör auf damit, Clay. Du benimmst dich wie ein pubertierender Knabe.“ Außerdem versetzte er sie noch mehr in Angst– war ihm überhaupt klar, wie bedrohlich er wirkte? Groß, unglaublich stark und so wütend, dass es sich fast wie ein Schlag anfühlte, wenn sein Blick sie traf.
    „Warum? Ich kann mir doch ruhig ein wenig Spaß mit dem Überraschungsbesuch gönnen. Dich ein bisschen zu quälen reicht schon.“
    Sie fragte sich, ob sie einen Fehler begangen hatte. Der Clay, den sie einmal gekannt hatte, war zwar wild gewesen, aber er hatte auf der Seite des Guten gestanden. Bei diesem Mann war sie sich nicht so sicher. Er sah wie das reinste Raubtier aus, ohne Ehre oder Seele. Aber ihr viel zu weiches Herz sagte ihr, sie solle weiter in ihn dringen, dass es mehr in ihm gab als diese glühende Wut. „Du gehörst zum DarkRiver-Rudel?“
    Keine Antwort.
    „Ist es das Rudel deines Vaters?“ Isla war eine Menschenfrau gewesen. Die Gestaltwandlerfähigkeiten hatte Clay von seinem Vater.
    „Ich weiß nur, dass er eine Raubkatze war. Isla hat mir nie mehr gesagt.“
    „Ich habe nur gedacht–“
    „Was? Dass sie ihre Meinung doch noch geändert hat und auf ihrem Totenbett plötzlich zu Verstand gekommen ist?“ Er lachte bitter auf. „Vielleicht war sie die Frau eines Gestaltwandlers. Ich vermute, sie war immer schon anfällig, und der Tod ihres Gefährten hat sie dann völlig gebrochen.“
    „Aber ich dachte, du wüsstest nicht, ob die beiden verheiratet waren.“
    „Gefährten, nicht verheiratet. Ein riesiger Unterschied.“ Er fuhr den pechschwarzen Weg hinunter, die Baumwipfel schluckten alles Dämmerlicht. „Scheiße noch mal, ich hatte damals keine Ahnung von meiner Herkunft. Gestaltwandler sind nur fortpflanzungsfähig, wenn sie sich mit ihrem Gefährten verbunden haben oder in einer längerfristigen, stabilen Beziehung leben. Keine ungeplanten Schwangerschaften, keine überstürzten Heiraten.“
    „Oh“, sie biss sich auf die Unterlippe. „Das Rudel hat dir beigebracht, ein richtiger Leopard zu sein?“
    Er warf ihr einen Seitenblick zu, der nicht besonders freundlich ausfiel. „Warum hast du plötzlich das Bedürfnis zu reden? Spuck aus, was du willst. Je eher du damit anfängst, desto eher kannst du dich wieder in das Loch verkriechen, in dem du dich zwanzig verfluchte Jahre versteckt hast.“
    „Weißt du was? Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich mich an den Richtigen gewandt habe“, schnappte sie unbeherrscht zurück.
    Plötzlich lag kaum erkennbare Gefahr in der Luft. „Warum? Bin ich nicht mehr so leicht zu handhaben wie damals? Bin ich nicht mehr dein Kuschelleopard?“
    Sie brach in solch lautes Lachen aus, dass ihr der Bauch wehtat. „Clay, ich war es doch, die dir überallhin gefolgt ist. Ich hätte mich nie getraut, über dich zu bestimmen.“
    „Quatsch keinen Blödsinn“, brummte er, aber ihr schien es, als klänge sein Ton ein wenig weicher. „Du hast mich dazu gebracht, auf dämliche Teekränzchen zu gehen.“
    Talin erinnerte sich noch an seine Drohung vor dem ersten: Wenn du irgendjemandem davon erzählst, fresse ich dich und benutze deine Knochen als
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