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Im Feuer der Nacht

Titel: Im Feuer der Nacht
Autoren: Nalini Singh , Nailini
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verwirrend zärtlich.
    Ein Schauer überlief sie. „Sprich nicht so mit mir.“ Es war ihr herausgerutscht, bevor sie ihren Verstand hatte einschalten können. Als Kind hatte sie gelernt, ihre Meinung für sich zu behalten. Das war sicherer. Aber schon nach einer halben Stunde mit Clay– einem Clay, der ihr fast vollkommen fremd war– verfiel sie wieder in ihr altes Verhalten ihm gegenüber. Er war der Einzige, der gerade dann ausgerastet war, wenn sie den Mund gehalten hatte, und nicht andersherum. Vielleicht, dachte sie, und ein Hoffnungsstrahl erhellte ihr Gemüt, vielleicht hatte er sich in dieser Hinsicht nicht verändert. „Ich bin kein Hund, dem man Befehle erteilt.“
    Eine kurze Stille folgte, dann hörte sie, wie Stoff über Haut glitt. „Immer noch ziemlich vorlaut.“
    Ihr Atem ging jetzt leichter. Wenn Clay ihr stattdessen gesagt hätte, sie solle den Mund halten… „Kann ich dir ein paar Fragen stellen?“
    „Vorsprechen für einen Job? Tut mir leid, Talin, aber ich bin am Drücker.“ Der Spott traf sie mehr als jeder körperliche Angriff. Sie waren immer gleichberechtigt gewesen– Freunde.
    „Ich würde dich gerne wieder kennenlernen.“
    „Es genügt, wenn du weißt, dass ich noch tödlicher bin als damals.“ Er trat gerade weit genug aus dem Schatten heraus, dass sie seinen abweisenden Gesichtsausdruck sehen konnte. „Ich sollte hier die Fragen stellen– erzähl mal, wo du hingegangen bist, nachdem man mich weggebracht hatte.“
    Seine Worte gaben eine weitere Flut von Erinnerungen frei. Ein benommener Clay, den schwarz gekleidete Polizisten auf die Beine hochzerrten, seine Hände waren mit besonders starken Fesseln auf den Rücken gebunden. Er hatte keinen Widerstand geleistet, war zu betäubt von den Drogen, die sie ihm verabreicht hatten.
    Aber seine Augen standen offen, sahen sie an.
    Vollkommen grün.
    In diese Farbe waren ihre Erinnerungen an diesen Tag getaucht. Nicht dunkelrot wie Blut, sondern durchdringend, leuchtend grün. Clays Augen. Als sie ihn weggebracht hatten, hatte sie gewimmert, aber seine Augen sagten ihr, sie solle starksein, er würde zu ihr zurückkehren, und das hatte er auch getan.
    Aber Talin hatte ihr stillschweigendes Versprechen gebrochen. Talin war zu zerstört gewesen, um sich auf den Tanz mit einem Leoparden einzulassen. Dieses Versagen verfolgte sie nun schon so viele Jahre. „Nach Orrins Tod gab es großes Aufsehen in den Medien“, sagte sie und zwang sich, den scharfen Schmerz des Verlustes in den Hintergrund zu drängen. „Damals habe ich nichts davon mitbekommen, aber ich habe später nachgeforscht.“
    „Sie wollten mich einschläfern. Wie ein Tier.“
    „Ja.“ Sie ließ die Arme herunterfallen und ballte die Fäuste, denn eine Welt ohne Clay konnte sie sich einfach nicht vorstellen. „Aber der Kinderschutzbund intervenierte. Er musste es tun, nachdem ihnen jemand die Wahrheit über Orrin erzählt hatte… und was er mir angetan hatte.“ Sie schmeckte Galle im Mund, drängte sie aber zurück mit der Kraft, die ihr der vorübergehende Aufenthalt in der Hölle verschafft hatte.
    Sie konnte die Vergangenheit nicht auslöschen, ihr detailgenaues Erinnerungsvermögen ließ den Albtraum immer wieder auferstehen, aber sie hatte gelernt, über diese dunkle Zeit hinauszudenken. „Die Sache verlor an Wichtigkeit, und du bekamst eine geringere Strafe, solltest bis zum Alter von achtzehn in einem Jugendgefängnis bleiben.“
    „Ich war dabei. Ich weiß, was mit mir geschehen ist“, sagte er mit bitterer Ironie. „Ich habe gefragt, was mit dir war.“
    „Das versuche ich dir doch gerade zu erzählen!“ Sie richtete sich auf, um seinem fordernden Auftreten etwas entgegenzusetzen. „Dräng mich nicht.“
    „Aber nicht doch. Wir haben die ganze Nacht vor uns. Lass dir nur Zeit. Ich richte mich ganz nach deinen Bedürfnissen.“
    „Sarkasmus steht dir nicht.“ Er war zu roh dafür, zu wild.
    „Du kennst mich doch gar nicht.“
    Nein, dachte sie voller Schmerzen, das tat sie nicht. Sie hatte alle Rechte an ihm an dem Tag aufgegeben, als sie ihn glauben ließ, sie sei bei einem Autounfall umgekommen. „Aufgrund der Berichte in den Medien“, fuhr sie fort, „wollten mich viele Leute adoptieren.“
    „Ich weiß– das stand in den Zeitungen.“
    Sie nickte. „Der für mich zuständige Sozialarbeiter wurde gefeuert, nachdem die Medien herausgefunden hatten, dass er in seiner Arbeitszeit hauptsächlich gespielt hatte.“ Mit dem Leben seiner
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