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Geschäfte mit der Ewigkeit

Geschäfte mit der Ewigkeit

Titel: Geschäfte mit der Ewigkeit
Autoren: Clifford D. Simak
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1
     
    Die Jury murmelte eifrig vor sich hin. Die Tasten, die das Urteil schrieben, bewegten sich so schnell, daß man sie nur verwischt über die Papierrolle tanzen sah.
    Dann war das Urteil geschrieben, und der Richter nickte dem Protokollführer zu, der vor die Jury trat und das Urteil abriß. Er hielt es feierlich mit beiden Händen hoch und wandte sich dem Richter zu.
    »Der Angeklagte wird gebeten, sich zu erheben und die Jury anzusehen«, sagte der Richter.
    Franklin Chapman stand mit zitternden Knien auf, und Ann Harrison erhob sich ebenfalls und stellte sich neben ihn. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. Durch den dünnen Stoff des Hemdes spürte sie, wie seine Haut zuckte.
    Ich hätte besser sein müssen, dachte sie. Aber Tatsache war, daß sie sich mit diesem Fall intensiver als mit vielen anderen beschäftigt hatte. Ihr ganzes Mitleid galt dem armseligen, hilflosen Mann neben ihr. Vielleicht, dachte sie, hat eine Frau kein Recht, einen Menschen vor so einem Gericht zu verteidigen. In früheren Zeiten, als die Jury noch aus Menschen bestand, wäre es in Ordnung gewesen. Aber nicht bei einem Gerichtshof, in dem ein Komputer die Jury darstellte, der einzig und allein die richtige Auslegung des Gesetzes beurteilte.
    »Der Protokollführer wird nun den Urteilsspruch verlesen«, sagte der Richter.
    Sie warf einen Blick auf den Anklagevertreter, der während der ganzen Verhandlung mit gleichbleibend ernster und feierlicher Miene hinter seinem Tisch gesessen hatte. Ein Instrument, dachte sie, nur ein Instrument.
    Der Saal war ruhig und nüchtern. Durch die Fenster drang die Spätnachmittagssonne herein. Die Zeitungsleute saßen in den ersten Reihen und lauerten auf die kleinste Gefühlsregung, auf eine winzige Geste, auf einen Happen für ihre Stories. Auch die Kameras waren da. Die starrenden Linsen warteten darauf, den Augenblick einzufangen, in dem Alles und Nichts sich die Waage hielten.
    Obwohl es kaum einen Zweifel geben konnte, dachte Ann. Es war so wenig Material für einen echten Fall gewesen. Der Spruch mußte auf Tod lauten.
    Der Protokollführer begann zu lesen:
    »In der Verhandlung Staat gegen Franklin Chapman wurde festgestellt, daß der Angeklagte Chapman durch kriminellen Leichtsinn und Mangel an Verantwortungsgefühl die Bergung der Toten Amanda Hackett verzögerte, so daß ihre Leiche nicht mehr präpariert werden konnte und endgültig dem Verfall preisgegeben wurde.
    Die Behauptung des Angeklagten, daß ihm persönlich nicht die Wartung und technische Instandsetzung des Fahrzeuges oblag, in dem besagte Amanda Hackett befördert werden sollte, ist in diesem Fall unerheblich. Er war dafür verantwortlich, die Tote unter allen Umständen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bergen. Diese Verantwortlichkeit kann nicht eingeschränkt werden. Es mag noch andere geben, die sich in diesem Falle nicht korrekt verhielten, aber das Ausmaß ihrer Unschuld oder Schuld hat keinerlei Einfluß auf diese Verhandlung.
    Der Angeklagte wird in allen Punkten schuldig gesprochen. Mangels mildernder Umstände kann auch keine Gnadenschrift eingereicht werden.«
    Chapman sank langsam wieder in seinen Stuhl und blieb steif und aufrecht sitzen. Seine groben Mechanikerhände lagen fest aufeinander, und sein Gesicht war eine steinerne Maske.
    Er hat es die ganze Zeit gewußt, wie es ausgehen würde, sagte sich Ann Harrison. Deshalb nahm er es so gefaßt auf. Er hatte sich keine Sekunde von ihrer Verteidigungsrede verführen lassen.
    »Wünscht die Verteidigung das Wort?« fragte der Richter.
    »Ja, bitte, Euer Ehren«, sagte Ann.
    Er ist ein guter Mensch, sagte sich Ann. Er will nett sein, aber er kann nicht nett sein. Das Gesetz erlaubt es ihm nicht. Er wird sich meinen Einwand anhören, ihn ablehnen und den Spruch verkünden, und damit wird es aus sein.
    Sie warf einen Blick auf die lauernden Zeitungsleute, auf die suchenden Fernsehaugen, und sie spürte ein leichtes Zittern. War dieser Schachzug, den sie geplant hatte, wirklich klug? Auf alle Fälle war er umsonst. Sie wußte, daß er umsonst war. Aber abgesehen davon, war er ratsam?
    Und in diesem Augenblick des Zögerns wußte sie, daß sie es tun mußte, daß es innerhalb ihrer Pflichten lag.
    »Euer Ehren«, sagte sie. »Ich beantrage, daß der Urteilsspruch wegen Befangenheit der Jury für ungültig erklärt wird.«
    Der Anklagevertreter war aufgesprungen.
    Seine Ehren winkte ihn zurück in den Stuhl.
    »Miß Harrison«, sagte der Richter, »ich
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