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Im Feuer der Nacht

Titel: Im Feuer der Nacht
Autoren: Nalini Singh , Nailini
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töten würde, um sie zu beschützen.
    „Lenk nicht ab.“
    „Mache ich auch nicht. Dein Gesicht war das Letzte, was ich gesehen habe, bevor ich hinter Gitter kam.“ Er strich mit einem Finger über ihre Sommersprossen. „Sie müssten verblasst oder verschwunden sein, als du erwachsen wurdest.“
    „Nein, sind sie nicht“, sagte sie kurz angebunden– und klang das erste Mal genauso wie das Mädchen, das er gekannt hatte. „Sie haben sich vermehrt und ausgebreitet, die scheußlichen Dinger.“
    „Hast du inzwischen Frieden mit ihnen geschlossen?“, fragte er, ihre Antipathie gegen die winzigen Pigmentflecken amüsierte ihn immer noch. „Sie gehören zu dir.“
    „Da keine Creme sie zum Verschwinden bringt und ich keine Laserchirurgie will, glaube ich das inzwischen auch.“
    Fast hätte er sich gelöst weiter den Erinnerungen an längst vergangene Tage hingegeben. Talin besaß immer noch Macht über ihn. Sie konnte ihn dazu bringen, als Tier vor ihr auf dem Bauch zu kriechen. Noch immer fühlte er eine gewisse Schwäche für diese Frau, die seine gewalttätige Seite so abstoßend fand. Diese Erkenntnis verlieh seinen nächsten Worten die Schärfe eines Rasiermessers. „Gib mir die Schlüssel.“
    Vorsichtig trat sie einen Schritt zurück. „Der Wagen ist abgesoffen. Ich kann–“
    „Gib mir endlich die verdammten Schlüssel, oder such dir einen anderen Idioten, der dir hilft.“
    „Früher warst du nicht so.“ Große, ängstliche Augen, weiche Lippen, die sich jetzt aufeinanderpressten, als müssten sie Gefühle zurückhalten. „Clay?“
    Er streckte die Hand aus. Nach einem Augenblick der Spannung ließ sie den Computerchip hineinfallen. Die meisten Wagen waren durch den Fingerabdruck des Besitzers gesichert, aber die Autovermietungen gaben einen Chip als Schlüssel aus, statt bei jedem neuen Kunden mit der Umprogrammierung eine halbe Stunde zu verbringen. Das sparte Zeit, gab Dieben aber auch die Möglichkeit, die Wagen zu stehlen. Blödmänner. „Steig ein.“
    Ohne ein weiteres Wort ging Clay um den Wagen herum und setzte sich auf den Fahrersitz. Als sie ihren Trotz aufgegeben und sich ebenfalls hineingesetzt hatte, lief der Motor bereits. Er ließ ihr gerade noch Zeit, sich anzuschnallen, dann fuhr er zurück, wendete und nahm die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Die Bar befand sich am Stadtrand von Napa, nahe der dichten Wälder, die zum Territorium der DarkRiver-Leoparden gehörten. Clay brauchte die Abgeschiedenheit der Bäume und versuchte, den weiblichen Duft der Frau neben sich zu ignorieren. Er war faszinierend, aber an ihm stieß ihn auch etwas ab, das den Leoparden irritierte. Doch er war jetzt nicht in der Stimmung, sich darum Gedanken zu machen. Pures Adrenalin schoss durch seinen Körper.
    „Wo fährst du hin?“, fragte Talin, als er zehn Minuten später die Straße verließ und sich in die Schatten der hohen Tannen schlug. „Clay?“
    Er knurrte tief in der Kehle, war viel zu verletzt, um höflich sein zu können.
    Talin spürte, wie sich die feinen Haare auf ihrem Nacken aufstellten. Clay war immer weniger zivilisiert als andere gewesen. Selbst in der klaustrophobischen Enge des Häuserblocks, in der sie ihm begegnet war, konnte sie die animalische Wut unter der ruhigen Intensität spüren, und er hatte sich wie ein Raubtier auf der Jagd bewegt. Niemals war es jemandem in den Sinn gekommen, sich mit Clay anzulegen, nicht einmal Jungen, die doppelt so alt waren wie er, und auch nicht den autoritären Bandenchefs der Gegend oder den ehemaligen Sträflingen.
    Aber das war lange her– sein jetziges Verhalten war etwas ganz anderes. „Hör endlich auf damit, mir Angst einzujagen.“
    Er schnappte wirklich nach ihr, sie zuckte zurück. „Brauch ich gar nicht. Du fürchtest dich ja auch so schon vor mir. Ich kann es ja riechen. Ist eine ziemliche Beleidigung.“
    Diesen Aspekt seiner Gestaltwandlerfähigkeiten hatte sie vollkommen vergessen. Mehr als zwanzig Jahre hatte sie zwischen Menschen und Gestaltwandlern, die keine Raubtiere waren, verbracht, sorgfältig darauf bedacht, die Entfernung zwischen Clay und sich noch zu vergrößern. Aber was hatte ihr das eingebracht? Sie war wieder am Anfang… hatte alles verloren, was ihr je etwas bedeutet hatte. „Das hast du mir erzählt, als wir uns das erste Mal begegnet sind.“
    Er war groß und gefährlich gewesen, und sie hatte sich zu Tode gefürchtet. In ihrem kurzen Leben hatten ihr schon so viele wehgetan, und er schien
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